Das schwierige, das aufregende Jahrzehnt
Derweil streiten sich auf der nationalen Ebene unsere Wunschkoalitionäre in der Bundesregierung unentwegt über finanzpolitische und andere Themen – angetrieben von lokalen und regionalen Machtinteressen. Den politischen Beobachter bringt das zum Haareraufen und langfristig zur Verzweiflung. Aber die eigentliche Frage lautet: Wie kann das sein? Warum sind politisch Verantwortliche so wenig in der Lage, die überragenden globalen Herausforderungen angemessen zur Sprache zu bringen? Warum gibt es in der Bundesregierung keine parteienübergreifende Kommission für die Erarbeitung unseres Beitrags zur Lösung des Klimawandels, der Sicherheitspolitik, der globalen Finanzarchitektur oder der zunehmenden sozialen Spaltung? Warum sind diese Themen neuerdings dem Bundespräsidenten vorbehalten? Warum springt die Politik abwechselnd von Beschwichtigung zu Schwarzmalerei, von Verschweigen zu Hyperaktivität?
Die Wahrheit ist: Nationale Regierungen sind in ein enges Korsett politischer Realitäten geschnürt, weil globale Verflechtungen – von der Wirtschaft über die Medien bis zu kulturellen und ethnischen Konflikten – die Rahmenbedingungen politischer Probleme dominieren. Gleichzeitig bleibt der Nationalstaat das Fundament demokratischer Legitimation. Nur hier existiert ein politischer Diskurs über das Wohl und Wehe des Gemeinwesens. Nur hier definieren sich die Bürgerinnen und Bürger als Mitglied einer Gemeinschaft und geben damit Parteien ihr politisches Mandat. Diskurse über den Klimawandel, globale Ungleichgewichte oder über die Lissabonstrategie sind nicht nur anspruchsvoll, sondern für die Mehrheit der Bürger kaum nachvollziehbar. Die komplexen politischen Diskussionen über globale Probleme werden schon seit längerem fast ausschließlich von Fachleuten geführt, während sich das heimische Publikum mit dem Themenkomplex „Steuern hoch – Schulden runter“ (oder umgekehrt) beschäftigen kann und darf.
Wir werden unsere Institutionen anpassen müssen
Gleichwohl sind die nationalen Anpassungsstrategien und Lösungsansätze für globale Probleme weder alternativlos noch trivial. Im Gegenteil, sie werden uns alle betreffen und die Entwicklungschancen unserer Kinder nachhaltig beeinflussen. Es wird daher zunehmend darum gehen, unsere politischen Institutionen strategisch an die globalen Herausforderungen anzupassen und diese Notwendigkeit auch im politischen Diskurs zu vermitteln. Der Spagat zwischen regionalen Sonderinteressen und der Entstehung einer globalen Solidargemeinschaft wird wesentliche institutionelle Reformen erfordern, deren Formen und Formate erst noch entwickelt werden müssen. Gleichzeitig fehlt vielen politisch Handelnden noch immer das Verständnis für die Rolle von Institutionen bei der strategischen Gestaltung globaler Probleme und für deren Rückkopplung in der Bundespolitik. Es wird ein spannendes Jahrzehnt – für Deutschland wie auch für den Rest der Welt. «