Die Nacht der Überlebensmittelkünstler
Der erste Versuch einer Lebensmittelschnellbestellung über das Internet scheiterte kläglich. Entweder muss man drei Wochen vorher bestellen (Eismann), oder die Bestellung muss am Vormittag abgegeben werden. Nachts wird prinzipiell nicht geliefert.
Der Bahnhof Zoologischer Garten scheint der erste und beste Anlaufpunkt zu sein. Im MIB, dem Markt im Bahnhof ist eine Grundversorgung an Obst, Backwaren, Getränken und Wurst an verschiedenen Verkaufs- und Imbisstheken gesichert. Geschlossen ist der MIB täglich zwischen 2 und 3 Uhr.
Champagner, Rollmöpse und Puderzucker
Am Eingang des Mitropa-Ladens nimm′s mit zeugt der Wachmann davon, das der Spruch gerade am Zoo gelegentlich sehr ernst genommen wird. Das Geschäft ist "aus technischen Gründen" zwischen 2.00 und 3.15 Uhr geschlossen. Die Preise erinnern stark an den Mitropa-Service im ICE. Zwischen Cola (der Liter zu 1,80 Euro) und Champagner (Pieper Heidsieck für 25,50 Euro) steht die Schlange vor der Kasse durch den halben Laden. Tampons und Tiefkühlkost, Batterien und Schreibstifte sichern die Grundausstattung.
Ein ähnliches Tankstellenangebot eröffnet der Reise-Point-Markt auf der Ebene des U-Bahnhofs der Linie 2 in Richtung Pankow. Immerhin finden sich zwischen BVG-Karten und Zeitschriften auch Rollmöpse (1,50 Euro) und Puderzucker (1 Euro).
Natürlich bieten auch andere Bahnhöfe die Möglichkeit zu spätem Einkauf. Vergleichsweise günstig ist der Edeka im Bahnhof Friedrichstrasse (täglich bis 22 Uhr geöffnet). Gegen 21 Uhr kann es schon mal sein, dass man zwischen Lobbyisten und Obdachlosen in der Schlange wartet, da der Einlass begrenzt wird. Drogerieartikel bekommt man bei Rossmann bis 21 Uhr. Am Ostbahnhof haben der günstigere Lidl und Minimal ebenfalls bis 21 Uhr offen. Und am Alexanderplatz kauft man teuer im Reisemarkt bis 23 Uhr.
Was Tante Emma aus Asien bereithält
Die Stadtteile werden vertrauter. Im Prenzlauer Berg hat der gute Nachbar Spar in den Schönhauser Allee Arcarden von 5 bis 24 Uhr geöffnet. Die Produktpalette unterscheidet sich wenig von den Reisebedarfsgeschäften der Bahnhöfe. Teuer ist es auch, aber immerhin haben sie alles für die Katze. Günstiger ist der Vietnamese an der Ecke Schönhauser/Danziger Straße. Hier gibt es fast alles: Obst, Gemüse, Gewürze, Tofu, Tintenfisch - die übliche Palette asiatischer Tante-Emma-Läden eben. Und das zu normalen Preisen.
Der Spätverkauf in der Choriner Straße wird uns als "weltbester" empfohlen. Geöffnet wird, wenn die anderen zumachen, also gegen acht Uhr abends, samstags und sonntags schon ab Mittag. Ein Schild aus vergangenen Zeiten verspricht die Abgabe von Knäckebrot gegen eine ärztliche Bescheinigung, ein Überbleibsel aus Nachkriegszeiten. Es gehört ebenso zum durchaus beachtenswerten Inventar, wie Hund und Katze. Fast alle Nahrungsmitteln können hier erstanden werden: frisches Gemüse und Brot, Konserven und natürlich Alkohol. Wer Bescheid weiß, holt sich die Tiefkühlpizza aus einer Truhe im Hinterzimmer. Wie im Supermarkt gibt es Musikbeschallung - allerdings eher Chill-Out-Musik vom Schallplat-tenspieler. Es macht den Eindruck als hätte eine WG durch die Aufstellung einer antiken Registrierkasse ihren Gemeinschaftsraum zum Verkaufszimmer umfunktioniert. Leider hat der Laden nur bis Mitternacht geöffnet.
Sahnetorten nachts um vier
Heimisch geht es auch im Volcksladen in Friedrichshain zu. Familie Volck stellt in zwei Räumen alles Wichtige zum Überleben bereit. Beim Bier an einem der vier Stehtische bekommt man belegte Brötchen (75 Cent), tauscht sich über die Nachbarschaft aus oder sichtet die Kleinanzeigen an der Pinnwand. Der Laden ist klassisch für den Morgen (Marmelade, Cornflakes, Croissants, Aufschnitt und Brot) und die Nacht (Bier und Zigaretten) ausgelegt. Sollte der Einkauf länger dauern, liegt neben Hundefutter und Pfandweinflaschen - für den Fall der Fälle - Kinderspielzeug bereit. Am Wochenende sind die Brownies und Muffins sehr beliebt.
Über die Oberbaumbrücke in den Westen. Ein echtes Highlight ist die Sindbad-Bäckerei am Schlesischen Tor. Der Familienbetrieb von Yüksal Camli existiert seit acht Jahren. Da es keine Backstube gibt, wird in einem Raum verkauft und zubereitet. Das garantiert die Besetzung rund um die Uhr und erfüllt den Raum mit süßem Duft frischer Backwaren. Nachts um vier bekommt man hier eine Sahnetorte (zwischen 9,50 und 22 Euro), Obstschnitten, Brot oder mit Hackfleisch gut gefüllte Croissants (60 Cent). Am Stehtisch päppeln sich zu dieser Zeit Diskoheimkehrer und Früharbeiter mit einem Kaffee (75 Cent) und ein paar Keksen (1 Kilo zu 7,50 Euro) auf.
Nachts einkaufen bleibt schwierig. Bevor der Bahnhof Zoo Anlaufpunkt wird, kann man sich auch eine 24-Stunden-Tankstelle leisten. Auf den Einkauf von Hirschragout und edlem Whiskey muss man verzichten und nach 24 Uhr bleiben allein Imbisse und Gastromomie. Ausgedehntes Shoppen bleibt vorerst Utopie, obwohl wir als Nachteulen lieber mit klarem Kopf einkaufen wollen. Sehr gerne trügen wir mit dem nächtlichen Kauf eines CD-Brenners, einer Schlafcouch oder Cascoigne-Terrine zum Aufschwung bei.
Lidl - Ostbahnhof, Untergeschoss - täglich 7 bis 21 Uhr
MIB - Markt im Bahnhof - Bahnhof Zoo, Erdgeschoss - täglich 3 bis 2 Uhr
MINIMAL - Ostbahnhof, Untergeschoss - täglich 7 bis 21 Uhr
Nimm′s mit - Bahnhof Zoo Erdgeschoss Haupteingang - täglich 3.15 bis 2 Uhr
Reisepointmarkt - Bahnhof Alexanderplatz, Untergeschoss - täglich bis 23 Uhr
Reisepointmarkt - U-Bahnhof Zoo, Bahnsteig U2 Richtung Pankow - Samstag & Sonntag 8 bis 24 Uhr, Montag bis Freitag 5.30 bis 23 Uhr
Sindbad-Bäckerei - Schlesische Straße 1, Berlin Kreuzberg - durchgehend geöffnet
Spar Markt - Schönhauser Arcarden, Schönhauser Allee 78, Prenzlauer Berg - Montag bis Freitag 5 bis 24 Uhr, Samstag 6 bis 24 Uhr, Sonntag 8 bis 22 Uhr
Spätverkauf - Choriner Straße 11/12, Prenzlauer Berg - Montag bis Freitag ca. 20 bis 24 Uhr, Samstag 16 bis 24 Uhr, Sonntag von mittags bis ca. 24 Uhr
Asiatische Lebensmittel - Danziger Straße 1, Prenzlauer Berg - täglich bis ca. 22 Uhr
Volcksladen - Gabriel-Max-Straße 18, Friedrichshain - täglich 7 bis 13 und 17 bis 23 Uhr