Gottverlassenes Dorf, nur Heu und Torf

Historische Wegscheiden: Friedbert und Vicky - wie es wirklich war

Friedbert: (mit Rose am Bühnenausgang) Liebe Vicky, wie schön, dass wir uns endlich einmal treffen!

Vicky: Ich hab die Liebe geseh’n – beim ersten Blick in deine Augen.

Friedbert: Psst! Ich hab’ da so meine Erfahrungen. Meine neue Gattin wartet im Auto.

Vicky: Dann fassen wir das Glück beim Schopf und hauen alles auf den Kopf!

Friedbert: Liebe Freifrau von getrennte Ruffin! Ich habe da ein politisches Anliegen!

Vicky: Bitte? Lalalalalalala. Du weißt, ich liebe das Leben lalalalalala.

Friedbert: Also, können wir in Ruhe sprechen? Ich habe da einen kleinen Tisch im Einstein reserviert. Da sind wir ganz unter uns.

Vicky: Noch stehst du zögernd vor der Tür und fragst: „Was wird aus dir?“

Friedbert: Na ja, die Türen sind ja noch nicht verschlossen, am Ende hat der Wähler das Wort. Und vielleicht lässt der mich da doch rein ins Rote Rathaus.

Vicky: Mag sein, dass man sich selber oft viel zu wichtig nimmt, verzweifelt auf das Feuer hofft, wo es nur noch glimmt.

Friedbert: Liebe Frau Leandros, mir geht es vorrangig um ein Regierungsamt. Und zwar für Sie!

Vicky: Was kann mir schon gescheh’n? Glaub’ mir, ich liebe das Leben.

Friedbert: Was ich Sie nun ergo konkret fragen wollte: Möchten Sie Kultursenatorin in Berlin werden? Heute ist das so ein Intellektueller von den Kommunisten und ich möchte auch eine Intellektuelle – aber eher von uns. Sie sind doch von uns, oder?

Vicky: Ohohoho. Lalalallala.

Friedbert: Wusste ich es doch! Nun, wie denken Sie darüber?

Vicky: Wenn so was auch sehr wehtun kann, man stirbt nicht gleich daran.

Friedbert: Und allein wären Sie ja auch nicht. Da bin zunächst mal ich – der Regierende.

Vicky: Komm mit, die Pferde warten schon, steig ein und sei mein Postillion!

Friedbert: Ja, so eine Art Postillion bin ich ja schon. (leise, verschmitzt) Nur nicht d´amour, sondern de politique, wenn Sie mich verstehen.

Vicky: Ich habe diese Landluft satt, will endlich wieder in die Stadt.

Friedbert: Ja, ja, liebe Frau von Ruffin! Und dann hätte ich da noch andere Prominente neben Ihnen im Kabinett: zum Beispiel die Frau Dr. Kabisch von einer Stiftung oder den Herrn Ekkerkamp aus dem Unfallkrankenhaus Berlin oder Frau Janz, eine Referentin der Mittelstandsvereinigung oder auch den allseits bekannten Dr. Stronk und eine Professorin für Pharmakologie, die Frau Schäfer! Alles erste Sahne, sage ich Ihnen, erste Sahne!

Vicky: Auf dem Mond, da blühen keine Rosen, da gibt’s nirgendwo Musik und Wein.

Friedbert: Na ja, Berlin ist ja nicht so karg wie der Trabant. Mein Kabinett jedoch würde durch eine Rose wie Sie auf das empfindlichste geschmücket werden, hochverehrte Muse!

Vicky:

Même un jour si je fais ma vie
Si je tiens ma promesse
Qui unis deux êtres pour toujours
Apres toi je ne pourrai peut-être
Donner de ma tendresse
Mais plus rien de mon amour !

Friedbert : Donnerlittchen ! Sie sagen es! Und das in fremder Zunge! Nun, wie werden Sie sich
entscheiden?

Vicky: Après toi je ne pourrai plus vivre !

Friedbert : Also ja?

Vicky : Meine Freunde sind die Träume, und sie sagen mir, das Glück ist nicht mehr weit.
Wenn wir zwei uns wieder finden, werden alle meine Träume Wirklichkeit.

Friedbert: (kniet) Danke, dank! Danke! Auch im Namen Berlins. Nun wird alles gut mit dieser
bisher kulturlosen Minipole, dieser Operettenwüste, dieser Frittenstadt.

Vicky: Es war ein Zufall, dass wir uns trafen. Nun sieht mein Leben anders aus. Du nahmst
ganz einfach meine Hände. Und ich ließ es gescheh’n, denn es war so schön.

Friedbert: Dann werden wir mal schnell eine Pressekonferenz ansetzen. Haben Sie noch zehn Minuten Zeit? Ich sehe die Meute da draußen schon paparazzen. Nie ist man allein
als zwei Prominente, gell?

Vicky: Steh auf du faules Murmeltier, bevor ich die Geduld verlier!

Friedbert: So stelle ich mir die neue Kultursenatorin vor: Zupackend, hoher emotionaler
Quotient, fremdzungig und heißblütig! Ich bin begeistert!

Beide: (treten vor die Presse)

Friedbert: Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem langen und voller Vertrauen
getragenen Prozess hat sich Freifrau von Ruffin, alias Vicky Leandros heute dazu
entschieden, in mein Schattenkabinett einzutreten. Sie wird für die kulturelle und so
dringende Erneuerung dieser liebenswerten Stadt eintreten und bringt dazu alle und nur die besten Voraussetzungen mit. Frau Leandros kann Italienisch – wie ich mich habe
überzeugen können – sie geht mit der Sprache um wie eine Deutsche, ist weit gereist,
war von Adel und kann singen und tanzen. Und das alles gleichzeitig und auch noch im Playback! Hatten wir nach dem Kriege schon einmal einen so begabten Kultursenator,
frage ich Sie? Ich bin überglücklich!

Vicky: Meine ebenfalls sehr verehrten Damen und Herren der Hauptstadtpresse! Es ist mir nach meinen Fortgang aus dem schönen Schleswig-Holstein und meinem Umzug in Ihre wunderbare Metropole nun eine große Ehre, vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Pflüger und Spitzenkandidaten der Christdemokraten in Berlin gefragt worden zu sein, ob ich bereit wäre, in seinem Schattenkabinett die vakante Rolle der Schatten-Kultur-Senatorin auszufüllen. Ich habe Herrn Staatssekretär Dr. Pflüger nach einer intensiven und ausführlichen Debatte dargelegt, dass dies momentan nicht in meinen Möglichkeiten liegt. Mein künstlerisches Engagement im ganzen Lande erlaubt es zu meinem großen Bedauern nicht, mich in der hiesigen Politik stabil und verlässlich einzubringen. Herr Dr. Pflüger hat für diese meine Entscheidung großes Verständnis gezeigt. Aber um Sie nicht zu sehr zu enttäuschen, habe ich mich zu einer spontanen Sangeseinlage entschieden:

Gottverlassenes Dorf
Nur Heu und Torf
Stets der gleiche Trott Nur Hü und Hott
Im Stall die Kuh macht Muh
Die Hähne krähn dazu
Das hält keiner aus
Ich will hier raus. (ab)

Friedbert: (auf dem Boden. Rappelt sich auf)
Was kann mir schon gescheh’n?
Glaub mir, ich liebe das Leben
Das Karussell wird sich weiterdreh’n
Auch wenn wir auseinandergeh’n.

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