Grün für die Ampel?
Nein, wer die Frage nach gemeinsamen Ideen und Projekten in einer Regierungskoalition als überholt abtut, springt eindeutig zu kurz. In Koalitionen kommen unterschiedliche Perspektiven zusammen, und entsprechend gibt es Spannungen, Brüche und Kompromisse. Deshalb geht es in Koalitionen auch nicht um die berühmt-berüchtigte Politik aus einem Guss und auch nicht notwendigerweise um den großen Wurf. Gerade in Zeiten der Krise kommt es jedoch darauf an, den Menschen eine Antwort darauf zu geben, in welche Richtung die Reise gehen soll, welche Ideen und Projekte dem Regierungshandeln Orientierung geben. Nur so lassen sich Menschen überzeugen und für die Mitarbeit gewinnen. Die Bürger sind das Durchwurschteln und die faulen Kompromisse der Großen Koalition genauso leid wie Union und SPD selbst. Mit der Forderung nach einem „Neuen Gesellschaftsvertrag“ stellen die Grünen im Bundestagswahlkampf eine Idee nach vorne, die genau das anspricht: Der Bundestagswahlkampf wird als Chance zur Verständigung über die größeren politischen Linien verstanden. Und als ein gesellschaftlicher Dialog, der sich für die verschiedenen Akteure öffnet.
Mit wem? Und mit wem nicht?
Zu den rationalen Kriterien für die Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler zählen gerade aufgrund eines Interesses am Gesamtbild einer Koalition nicht nur die Programme und Köpfe der einzelnen Parteien, sondern auch Aussagen zu den präferierten Koalitionen. Dies gilt umso mehr für die kleineren Parteien, die dem Wähler nur dann eine realistische Machtoption vermitteln können, wenn sich eine (oder mehrere) belastbare Koalitionskonstellation benennen oder zumindest andeuten lässt.
Ob und in welcher Form Parteien solche Aussagen treffen sollten, hängt von mitunter schwierigen inhaltlichen und strategischen Fragen ab. Inhaltlich schwierig können Wahlaussagen deshalb sein, weil es um einen Abgleich von Programmen und Konzepten auf den verschiedenen Politikfeldern geht, ebenso wie um eine realistische Einschätzung der Akteure und der Machtverhältnisse in den anderen Parteien. Strategisch können Wahlaussagen deshalb schwierig sein, weil es in den eigenen Wählermilieus sehr unterschiedliche Erwartungen an die bevorzugte Bündnisoption geben kann und sich zudem die Kräfteverhältnisse nach dem Wahlgang manchmal kaum über einen längeren Zeitraum prognostizieren lassen.
Ein halbes Jahr vor den Bundestagswahlen stehen gegenwärtig alle Parteien unter Druck, ihre Bündnispräferenzen zu konkretisieren, allerdings mit sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen.
Für die FDP ist die Lage vergleichsweise übersichtlich: Aus inhaltlichen wie strategischen Gründen hat sie sich bereits auf eine Wahlsaussage zugunsten der Union festgelegt. Das macht inhaltlich Sinn, da sich die Westerwelle-FDP mehr denn je auf ein wirtschaftsliberales Profil verengt hat, das zur Union die größten Konvergenzen aufweist. Es macht auch strategisch Sinn, weil die FDP auf diese Weise fast ausschließlich der Union Stimmen abjagt. Um dieses schwarz-gelbe Wechselwähler-Milieu zu halten, wäre jede andere Koalitionspräferenz abträglich. Schließlich kann die FDP nach den aktuellen Umfragen auf die Möglichkeit eines Regierungswechsels in einer schwarz-gelben Zweierkonstellation verweisen und damit ihre strategische Funktion voll ausspielen.
Umgekehrt zieht es die Union jeden Tag stärker zur FDP, weil sie zusehen muss, wie ihr massiv Wähler an die FDP verloren gehen, denen der Merkel-Kurs in der Großen Koalition zu mittig oder zu diffus ist. Hinzu kommt der interne Druck von der CSU unter dem Rechts-Links-Chaoten Seehofer wie auch von der christdemokratischen Männerriege, die mit Merkel noch offene Rechnungen hat. Zugleich spüren die strategischen Köpfe der Kanzlerin-Partei, dass eine zu starke Distanzierung von der Politik der Großen Koalition im laufenden Geschäft schnell als Selbstdementierung interpretiert werden könnte, die von Teilen der eigenen Klientel ebenfalls nicht honoriert werden würde. Deshalb wird die CDU eine Wahlaussage zugunsten der FDP erst später und etwas zurückhaltender treffen.
Zwietracht in der Linkspartei
Für die Linkspartei macht es sich nach wie vor bezahlt, den Gedanken an eine Regierungsverantwortung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zu viele Proteststimmen gingen verloren, würde man den Willen zur Mitgestaltung in einer Regierungskoalition allzu ernst bekunden. Gleichzeitig scheint es allerdings zumindest bei einigen realpolitischen Köpfen aus den starken ostdeutschen Landesverbänden an Reiz zu verlieren, sich auf die Oppositionsrolle zu reduzieren. Der Wille zur bundesweiten Regierungsmacht nimmt nach den positiven Erfahrungen auf Landesebene zu; zudem will man es der SPD nicht zu leicht machen, ihr eigenes Nein zu einem rot-roten Bündnis mit der Verweigerungshaltung der Linkspartei zu begründen.
Wunschpartner bleibt die SPD
Und die Grünen? Formal betrachtet hat die Partei viele Optionen. Ganz gleich ob Ampel, Jamaika oder Rot-Rot-Grün: Käme es zu einer Dreierkonstellation, wären die Grünen als einzige kleine Partei immer mit an Bord. Hauptangriffspunkte im grünen Wahlkampf werden eine Überwindung der lähmenden Großen Koalition und das Verhindern der Rolle rückwärts zu Schwarz-Gelb sein. Nicht völlig unumstritten, aber aus inhaltlicher wie strategischer Sicht klar ist, dass die SPD nach wie vor der Wunschpartner der Grünen ist. Inhaltlich, weil die konzeptionellen Schnittmengen mit der SPD am größten sind und mit Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering zwei akzeptable Gewährsleute an der Spitze stehen. Strategisch, weil die Hälfte der grünen Wählerinnen und Wähler eine klare Zweitoption namens SPD hat. Auch wenn nach den grünen Erfahrungen der gemeinsamen Regierungsjahre eine Ernüchterung eingetreten ist, die bis heute anhält: Für diesen relevanten Teil des grünen Milieus wäre es eine schwere Irritation, wenn eine entsprechende Präferenz zugunsten der SPD vor den Wahlen nicht deutlich würde. SPD und Grüne sind nach wie vor stark kommunizierende Röhren – und wohin diese Wähler wandern würden, ist kein Geheimnis.
Kompliziert wird es für die Grünen dadurch, dass eine Neuauflage von Rot-Grün nach dem Dauertief der SPD selbst mit großem Optimismus nicht zu erwarten ist. Grüne wie SPD haben in zwei Wahlkämpfen – 1998 und 2002 – von einer politischen und kulturellen Polarisierung in einem offenen machtpolitischen Rennen profitiert, über die die entscheidenden Stimmen auf die eigene Seite gebracht werden konnten. Damit hatten gerade die Grünen ein wichtiges Funktionsargument auf ihrer Seite: Wer Rot-Grün will, muss Grün wählen. Wenn Rot-Grün keine realistische Option hat, fällt der Magnetismus der Polarisierung in einem offenen Rennen weg. Und damit lässt sich auch die machtpolitische Funktion der Grünen in der aktuellen Wahlauseinandersetzung letztlich nur auf ein Dreierbündnis beziehen.
In Bezug auf den neuralgischen Punkt der Machtoptionen werden die Grünen in den kommenden Monaten viele Fragen beantworten müssen. Sie werden kein Dreierbündnis kategorisch ausschließen. Andererseits wird es nicht funktionieren, jedes Dreierbündnis gleichermaßen, also ohne eine gewisse Rangfolge, zur Machtoption zu erklären. Eine Äquidistanz zu einer Jamaika-Option wäre inhaltlich kaum nachvollziehbar und mit der grünen Kernwählerschaft nicht zu machen. Außerdem würden Wechselwähler zur SPD getrieben. Eine Äquidistanz zu einem rot-rot-grünen Bündnis oder gar dessen Präferierung wäre inhaltlich mit Blick auf zentrale bundespolitische Themen nicht minder problematisch und steht strategisch vor dem zusätzlichen Problem, dass die SPD als Lehre aus Hessen wieder Nein sagen und bei diesem Nein diesmal auch bleiben wird. Zumindest vorläufig.
Wie eine Afterwork-Party im Bankenviertel
Bleibt die Ampel. Auch bei dieser Option bleiben größere inhaltliche und strategische Fragen offen. Inhaltlich hat sich die FDP unter Westerwelle weiter auf ein wirtschaftsliberales Weltbild verengt, das nur noch einen kleinen Teil der Spielarten liberalen Denkens abdeckt. Von einer irgendwie interessanten Weiterentwicklung der Grundideen des Liberalismus ist die FDP Lichtjahre entfernt. Zwar hat man erkannt, dass die Frage der Bürgerrechte aus strategischen Gründen etwas stärker ins Portfolio gehört, doch letztlich steht die FDP für so viel gesellschaftlichen Pluralismus wie eine Afterwork-Party im Frankfurter Bankenviertel.
Kombiniert wird diese wirtschaftsliberale Grundhaltung mit einem Maß an populistischer Vereinfachung, so dass man meinen könnte, das gesamte FDP-Programm müsste eigentlich gut auf Friedrich Merz’ berühmten Bierdeckel passen. Außer einer Steuersenkungsarie ist im Grunde nichts zu hören. Entsprechend ist die Westerwelle-FDP nicht nur inhaltlich entkernt, sie ist auch personell beispiellos ausgedünnt. Ein intellektuelles Umfeld scheint nicht mehr zu existieren. Das ist umso erstaunlicher, als man meinen könnte, die FDP sei in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise unter einem besonderen Erklärungsdruck, welches Konzept von Marktwirtschaft sie nach dem Scheitern bloßer Deregulierung eigentlich verfolgt.
Nichts dergleichen. Während sich die Merkel-Union notgedrungen in Richtung Mitte bewegt, bedient die FDP offenkundig eine wirtschaftsliberale Klientel, die eine deutlich zweistellige Prozentzahl auf die Waage bringt. Insofern gibt es für die FDP taktisch gar keinen Grund, sich auf die neue Lage einzustellen, auch wenn das in der Sache noch so verantwortungslos erscheinen mag.
Starke Sprüche und Alltagsgeschäft
Gespannt darf man allerdings auf die innerparteilichen Eruptionen sein, falls der FDP unter Bedingungen der Wirtschafts- und Finanzkrise der Schritt in die Regierung gelingen sollte. Und so deckt sich bereits jetzt in weiser Voraussicht das praktische Handeln nicht durchgängig mit den starken Sprüchen. Am Aschermittwoch wettert Guido Westerwelle gegen Staatshilfen als „DDR-light“, Brüderle spricht von „VEB Opel“ – aber selbstverständlich haben alle Landesregierungen, an denen die FDP beteiligt ist, dem Konjunkturpaket der Großen Koalition zugestimmt und Milliardenbürgschaften für Opel unterstützt. Im regierungspolitischen Alltagsgeschäft kann der FDP also durchaus eine gewisse Wandlungsfähigkeit unterstellt werden. Im Kampf um den symbolischen Ort im politischen Spektrum lassen sich aber Grüne und FDP in zentralen Fragen nicht als Komplementäre mit unterschiedlichen Schwerpunkten begreifen, sondern nur als politische Gegner mit gegensätzlichen Standpunkten. Darüber können auch gelegentliche Gemeinsamkeiten in der Bürgerrechts- oder Europapolitik nicht hinweg täuschen.
„Umfaller“ will Westerwelle keinesfalls sein
Aus strategischer Sicht betrachtet ist die Lage nicht einfacher. In der letzten Zeit hat die FDP verstanden, dass sie ihre einfachen Botschaften mit Klarheit in der Bündnisfrage verbinden muss. Dies fällt ihr auch einigermaßen leicht in einer Situation, in der es für Schwarz-Gelb eventuell reichen könnte, für eine sozialliberale Koalition aber mit Sicherheit nicht. Die Zeiten, in denen man sich – auch aus Enttäuschung über Merkel und die Union – wieder vorsichtig in Richtung SPD öffnen wollte, sind zumindest vorerst vorbei. Mit dem neoliberalen Profil holt man zwar bei SPD oder Grünen so gut wie keine Stimme, bei der Union aber umso mehr.
In gewisser Weise gilt für die FDP mit Blick auf die Union das, was für die Grünen mit Blick auf die SPD gilt: Bei einem Flirt mit dem jeweils anderen „Lager“ würde man die Wechselwähler in der entscheidenden kommunizierenden Röhre wieder verlieren. Westerwelle tut deshalb viel dafür, nicht wieder in die Rolle des „Umfallers“ oder des „Fähnchens im Wind“ zu geraten, mit der die FDP über Jahrzehnte zu kämpfen hatte. Dass dies von der relevanten Klientel auch honoriert wird, zeigen die Umfragewerte.
Insofern ist es konsequent, dass Westerwelle früh eine klare Wahlaussage zugunsten der Union getroffen hat. Für die FDP wäre es derzeit ein kapitaler taktischer Fehler, die „Lager-Konstellation“ zu verlassen. Und je stärker Rot-Grün versucht, die FDP aus dieser Nische herauszulocken, desto aggressiver wird sie sich von einer solchen Option distanzieren. Und: Auch für den wahrscheinlichen Fall, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht, könnte die Union vor der SPD liegen und die FDP vor den Grünen. Dass die FDP in solch einer Lage ein Bündnis mit den beiden je unterlegenen Konkurrenten eingehen würde, darf bezweifelt werden.
Andererseits ist „nach der Wahl“ für die FDP nicht einfach „vor der Wahl“. Nach elf Jahren in der Opposition im Bund muss und wird sich die FDP fragen, wie lange sie dort noch verharren will. Um an die Regierung zu gelangen, könnte sie nach gelungener Stimmenmaximierung bis zum Wahltag noch zu manchem Manöver bereit sein. Die FDP wird dafür nicht alles aufgeben, aber der Druck aus ihrer Wählerschaft und der Druck auf Westerwelle werden enorm sein, eine Neuauflage der Großen Koalition zu verhindern.
Für die Grünen folgt daraus aus meiner Sicht, dass die inhaltlichen Differenzen zur FDP im Wahlkampf klar benannt und ausgefochten werden müssen. Auch sollten die erwähnten praktischen Fragezeichen, die mit der Ampeloption verbunden sind, offen angesprochen werden. Die Bürgerinnen und Bürger sehen diese Probleme klarer, als es Parteistrategen vielleicht gern hätten. Die Grünen sollten einen eigenständigen Wahlkampf führen, der sich auch mit der SPD als Hauptkonkurrent um Wechselwähler hart auseinandersetzt, gleichzeitig aber eine Präferenz für Rot-Grün deutlich macht. Schließlich ist aus grüner Sicht jedoch auch festzuhalten, dass die Ampel inhaltlich wie strategisch aus jetziger Perspektive noch die beste aller schlechten Optionen ist, in einem Dreierbündnis grüne Politik zu verwirklichen. Diese Ausgangslage mag einen ärgern, sollte einen auch ärgern, aber zu ihr müssen und werden sich die Grünen verhalten.
Konkreter sollten die Grünen diese Wahrheit offen aussprechen, ohne die vorsichtige Einschätzung der Lage mit einer Wahl- oder Koalitionsaussage zugunsten der FDP zu verwechseln – auf dass einem Westerwelle sofort die Tür vor der Nase wieder zuhaut. Im Grunde geht es um nicht mehr als um eine Art Sondierungspräferenz, auch als politisch-kulturelle Orientierungshilfe für die Wähler. Ein solcher Realismus bei gleichzeitiger Distanz in der Sache und Offenheit im Ergebnis ist in jedem Fall auch für Guido Westerwelle unangenehm, da er ihn und seine Wähler schon einmal öffentlich daran erinnert, dass sich die starken Sprüche vor der Wahl nach der Wahl schnell pulverisieren könnten.
Ins Gespräch zu kommen wäre nicht verkehrt
Darüber hinaus wäre es vor diesem Hintergrund sinnvoll, einmal genauer zu analysieren, wo die Divergenzen liegen, wo aber perspektivisch auch Konvergenzen vorstellbar wären. Das kann vor den Wahlen aus den beschriebenen Gründen mit Sicherheit kein öffentlicher Dialog sein. Aber es sollte zumindest eine parteiinterne Vertiefung der Analyse erfolgen. Und vielleicht auch die eine oder andere Begegnung, um überhaupt einmal ins Gespräch zu kommen.
Beides – Analyse und Gespräch – wären notwendig, um nicht völlig unvorbereitet in die eher unwahrscheinliche Ampel zu stolpern. Dabei geht es weniger um die Entdeckung von Gemeinsamkeiten, die es nicht gibt, als um eine gemeinsame Reflexion auf Themenfeldern, die für beide Seiten von inhaltlichem und strategischem Interesse sind – im Bewusstsein der Divergenzen: Welches Freiheitsverständnis liegt den jeweiligen politischen Vorstellungen zu Grunde? Wie verhalten sich Gerechtigkeit und Freiheit zueinander? Was könnte das heißen: gleiche Freiheit? Welche Ordnungsvorstellung verbindet sich mit dem jeweiligen Modell von Marktwirtschaft? Welcher Leistungsbegriff wird ihr zugrunde gelegt? Wie lassen sich Solidarität und Freiheit in einem emanzipatorischen Sozialstaat verbinden? Was zeichnet eine neue Generation von Bürgerrechten aus? Fragen über Fragen, zu denen man von der FDP gern Antworten hätte.
Bei der Analyse der konkreten Reformvorstellungen von SPD, Grünen und FDP stößt man durchaus auf eine gemischte Konfliktlage, die zu unterschiedlichen Allianzen und Blockaden führen könnte. In Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Energiepolitik stehen sich in der Tendenz Grüne und SPD auf der einen und die FDP auf der anderen Seite gegenüber; in Fragen der Industriepolitik haben FDP und SPD mehr gemein; in Fragen des Datenschutzes gegenüber dem Staat oder von kleinen Unternehmen dagegen Grüne und FDP; während wiederum beim Verbraucherschutz die FDP die Interessen der Wirtschaft stärker hochhält als die Grünen und die SPD.
Am Ende ist nicht nur auf der programmatischen, sondern auch auf der gefühlten Ebene der sich unterscheidende Freiheitsbegriff vermutlich der neuralgische Punkt. Die Grünen werden im Bundestagswahlkampf einen interpretierten Freiheitsbegriff mit nach vorne stellen. In dem vorgeschlagenen „Neuen Gesellschaftsvertrag“ verbinden sich Klimapolitik, Gerechtigkeit und Freiheit als drei zentrale Fluchtpunkte grüner Programmatik in einer spezifischen Anordnung. Im Zentrum steht dabei der erweiterte Gerechtigkeitsbegriff aus dem Grundsatzprogramm. Es geht um Gerechtigkeit – allerdings unter anderem in einer emanzipatorischen und auch ökologischen Lesart. Die anderen Parteien spielen diese drei Begriffe gegeneinander aus. Die Grünen sagen: Sie gehören zusammen.
Ein vollständiger Freiheitsbegriff umfasst die Abwehrrechte ebenso wie die Gewährleistungsrechte, die Freiheit für alle überhaupt erst ermöglichen. Gerechtigkeit verlangt Freiheit und Teilhabe für alle. Gerechtigkeit braucht in einem emanzipatorischen Sinn aber auch ein Bewusstsein für individuelle Freiheit und Mitbestimmung. In der ökologischen Frage liegt ein Schlüssel dafür, dass alle heute und morgen in Freiheit leben können. Und die ökologische Frage wird sich nur demokratisch – und das heißt auch unter Achtung der politischen Freiheit aller – lösen lassen. So einfach ist das, so wichtig. Und so komplex. Zu komplex für die Welt der FDP im Jahr 2009.