Investitionen in die Vergangenheit
Fast 10.000 neue Kinderkrippen!
Was könnte man mit 1,4 Milliarden nicht alles anfangen? Man könnte 30.000 Erzieherinnen und Erzieher in Grundschulen einstellen, die dort die Lesefähigkeit von Kindern verbessern würden. Man könnte fast 10.000 neue Kinderkrippen eröffnen, die jungen Eltern helfen würden, Familie und Beruf vereinbar zu machen. Man könnte die Zahl der Bafög-Empfänger um die Hälfte aufstocken oder mehr als ein Drittel der Studienanfänger für ein Jahr mit einem Vollstipendium ausstatten. Man könnte die gesamten Berliner Hochschulen mit ihren 100.000 Studierenden finanzieren. Mit dem Betrag könnte man auch das Elterngeld auf ein Pflegegeld für pflegebedürftige Angehörige ausweiten, das dann 64.000 Angehörige jährlich in Anspruch nehmen würden.
Man darf die Ausgaben nicht gegeneinander aufrechnen? Das eine schließt das andere nicht aus? Davon bin ich nicht überzeugt. Das eine schließt das andere sehr wohl aus, sowohl finanziell als auch mental. Finanziell kommen die Mittel indirekt aus dem Bundeshaushalt, der die Überschüsse der BA entweder abschöpft oder in Beitragssenkungen umwandelt. Was nicht abgeschöpft wird, kann nicht anderweitig investiert werden.
Wichtiger jedoch ist die mentale Sperre. Wer in die Vergangenheit investieren möchte und dies gegen bereits gefasste Beschlüsse durchzusetzen versucht, der denkt nicht an die Zukunft. Nicht an diejenigen, deren Schulleistungen weiter zurückfallen, nicht an überforderte junge Familien oder Angehörige, nicht an die großen Herausforderungen von Migration und Globalisierung, die mehr Investitionen in Bildung und Jugendhilfe erfordern.
Wer so in die Vergangenheit investiert, hat nicht erkannt, dass bereits heute die Mehrheit der Beschäftigten aus Frauen besteht, deren Lebensverläufe gänzlich anders aussehen als jene des klassischen Facharbeiters, der sich die Altersteilzeit wünscht. Wer so in die Vergangenheit investiert, denkt stattdessen an die aktuelle Tarifrunde der IG Metall, an die Wünsche der Betriebsräte und Arbeitsdirektoren der großen Unternehmen. Wer so in die Vergangenheit investiert, erliegt den Drohungen und dem Werben von Gewerkschaften und Arbeitgebern, die gerne in die alte Welt der Frühverrentung zurück möchten – und meint, diesen Wunsch im nächsten Wahlkampf zu den eigenen Gunsten einsetzen zu können.
Die Wähler sind in der Zukunft angekommen
Die Rechnung wird nicht aufgehen. Die Wähler sind in der Zukunft angekommen. Es sind die Frauen, die die höchsten Erwartungen an die Sozialdemokratie haben und ihr am nächsten stehen. Nur bei den jungen Frauen hat die SPD derzeit noch Zuwachsraten in der Wählerschaft. Junge Frauen sind die neuen Berufstätigen und Pflegenden, die Mütter, Erzieherinnen und Lesepatinnen in den Grundschulen. Nicht in die Facharbeiter von Sindelfingen muss heute investiert werden, sondern in diese jungen Frauen und ihre Bedürfnisse. Sonst wenden sie sich wieder ab.