Jenseits der Neuen Mitte

Rundblick mit Gummibärchen

Angekommen in Berlin. Die Bonner sind da. Und praktischerweise haben sie ihre Politik gleich mitgebracht. Erschreckend einfach scheint es gewesen zu sein, die alten Kamellen aus dem Bundesdorf am Rhein im großen Umzugstreck an die Spree zu verfrachten.

Beobachtungen im Plenum: Eine eher sehr unbekannte Abgeordnete der FDP ist in Bekennerlaune: "Nix da!", "Und das Kindergeld?", "Subventionierer!". Munter geht das eine Viertelstunde so weiter, ohne dass sich ein konkludenter Bezug zum Redner oder gar zu seinem Gegenstande entdecken ließe. In Bonn wäre das kaum aufgefallen, unter der Berliner Kuppel jedoch tragen die Worte weiter als vordem, und mancher wird es noch lernen müssen, seine oder ihre Zunge entweder besser zu hüten oder zumindest irgendwie sachgerecht einzusetzen.

Dem Chef der Liberalen haben in den letzten Tagen alle Präsidien seiner Partei den Rücken gestärkt. Das ist ein sicheres Zeichen. Noch einmal über die Hürde hat Wolfgang Gerhardt allein die Tatsache geholfen, dass sein thüringischer Landesvorsitzender sich vor der Landtagswahl für die Vergabe der Zweitstimmen an die CDU ausgesprochen hat. Genau 1,1 Prozent der Wähler gaben ob dieser klaren Option den Freidemokraten ihre Stimme. Nach den Wahlen in Berlin und den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg werden die Präsidien der FDP wiederum ihrem Vorsitzenden den Rücken stärken. Nur heißt der dann vielleicht Rainer Brüderle.

Bei den Grünen geht es dieser Tage wieder einmal um den Doppelpack an der Spitze der Partei. Gunda Röstel wird mit Rücktrittsgedanken zitiert, die Berlinerin Renate Künast mit Ambitionen eher auf den Vorsitz der Bundespartei denn auf die Rolle der Minderheitschefin im Abgeordnetenhaus, und Antje Radcke weiß noch nicht so recht. Hinten im Orchester wird die Melodie der Trennung von Amt und Mandat gespielt und es drängt sich der Eindruck auf, das Dirigentenpult sei verwaist und warte mit Sehnsucht auf Joschka.

Ohne große Probleme ist die PDS nach Berlin gekommen. War sie je am Rhein? In Bonn war sie nie zu Hause und ihre abgeordneten Mitglieder machten oft den Eindruck, von einem anderen Planeten zu stammen. Allerspätestens nach der "Friedensmission" von Gregor Gysi in Belgrad, bei der er irgendwie vergaß, Slobo nach der Sache da im Kosovo zu befragen, hatte sich die PDS aus der Politik verabschiedet.

Nun ist sie wieder da, denn in Berlin hängen viele putzige Plakate. Eines davon rührt unser Herz: Mit der Abbildung eines guten, altvertrauten Gummibärens (für Uneingeweihte: sie kommen aus Kessenich, und Kessenich liegt in Bonn) sagen sie uns, dass es keinem Bonner schlechter gehen soll. Zum Reinbeißen. Auf einem anderen rühmt sich die PDS ihrer Rüstigkeit, und dieser Wunsch ist aufgrund der Totalüberalterung ihrer Kader und Wähler nur zu verständlich. Am Horizont tun sich interessante Koop-Möglichkeiten mit den "Grauen Panthern" auf.

Zu guter Letzt blicken wir auf die Union. Und halten es mit einer großen westdeutschen Zeitung, die jüngst schrieb: "Wer an einer Jahrmarktsbude auf Rosen und Nelken zielt, braucht weder ein gutes Gewehr noch eine ruhige Hand - aus kurzer Distanz trifft es sich fast von selbst. Ganz ähnlich ist die CDU zu ihrem üppigen Strauß an Wahlsiegen gekommen." Sie hat nicht deshalb Zulauf, weil sie eine so attraktive Politik zu bieten hätte, sondern weil die Anhänger der SPD massenhaft zu Hause geblieben sind. In NRW haben die Sozialdemokraten fast eine halbe Million Wähler verloren.

Nun steht die Union also mit den Hoffnungsträgern Müller (Saarland), Vogel (Thüringen), Schönbohm (Brandenburg), Koch (Hessen) und König Kurt aus Sachsen als gestärkte Landeskraft vor den Toren Berlins.

In der Politik der Bundespartei aber ist außer dem "dream-team" Wolfgang Schäuble und Angela Merkel so recht keine Spur der Zukunft zu entdecken. Neu und unverbraucht kommen die beiden daher und versuchen uns zu sagen, dass sie wirklich gute Lösungen für all die Probleme haben, die von der SPD in den vergangenen 16 Jahren eingebrockt worden sind.

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