Nach dem Regieren ist vor dem Regieren

Die Paradoxie der sozialdemokratischen Regierungsjahre: Die SPD machte die richtigen Schritte aus der altbundesrepublikanischen Ära Deutschlands, interpretierte sie aber im Lichte dieser vergangenen Zeit. Droht jetzt das Rollback auf ganzer Linie?

Die sich in letzter Zeit wieder häufenden Nachrufe auf die SPD lassen sich grob in zwei Ablagen einsortieren. Die eine wurde schon vor über 20 Jahren angelegt und trägt den Schriftzug „Ende des sozialdemokratischen Zeitalters“. Ralf Dahrendorfs gleichnamiger Essay wurde seitdem immer dann zur Haupttendenz erklärt, wenn es einmal wieder galt, sich einen feuilletonistischen Reim auf Wähler- und Mitgliederschwund der Partei zu machen. Seine zeithistorische Analyse findet ihre Entsprechung in einer soziologischen Betrachtung, welche die Todesursachen der Sozialdemokratie in vernachlässigten Klasseninteressen, nachlassender Milieuverankerung, wachsender Verbürgerlichung und steigender Individualisierung erkennt. Ganze Politologen- und Journalistenscharen verstehen sich mittlerweile auf das Verfassen dieser Art Nachruf, die wahlweise auch für die CDU genutzt werden kann und die sich dadurch auszeichnet, dass sie wie Walter Benjamins Engel der Geschichte der Zukunft den Rücken zukehrt.


Die SPD – eine Leiche auf Abruf. Ralf Dahrendorf selbst fühlte sich durch diese Interpretation „missverstanden“. Seine These rede nicht vom Ende der SPD, sondern besage, dass sich sozialdemokratische Politik erschöpft, weil erfüllt habe. Was weitere Wahlsiege für ihn keineswegs ausschloss. Wenn sozialdemokratische Parteien Wahlen gewinnen, so der Soziologe mit einiger Hellsicht zu Beginn des zurückliegenden sozialdemokratischen Regierungsjahrzehnts, „werden sie eine andere Politik machen als die, unter der sie einmal angetreten waren“. Über dieses Andere hadert die SPD seitdem mit sich.


Als Konsequenz dieser anderen Politik sah Dahrendorf schon damals auf der Linken „eine Art Nostalgie-Peripherie“ aufziehen. Diese Peripherie hat sich mittlerweile zu einer eigenen Partei geweitet, was den Hader zu einer inneren Zerreißprobe auswachsen ließ, weil die Rückbesinnung auf die alten Koordinaten damit eine machtstrategische Perspektive bekam. Die SPD war als Regierungspartei mit den schwindenden Gestaltungsmöglichkeiten (national)staatlichen, exekutiven Handelns konfrontiert, hat sich jedoch nie darüber verständigt, wo deren Grenzen verliefen.

Reform und Fortschritt – das ging verloren

Deshalb vermochte sie nicht, die begrenzten Möglichkeiten mit einer Politik zu füllen, welche mit ihren normativen Grundlagen in einer Weise verknüpft war, dass daraus eine nach vorne offene Erzählung resultierte, die auf die Wählerschaft ausstrahlt. Die für die Sozialdemokratie konstitutive Verknüpfung von politischer Reform und gesellschaftlichem Fortschritt ist verloren gegangen. Es gab in den vergangenen Jahren kaum eine relevante Reform, die nicht von einem Teil der Partei als Rückschritt beklagt wurde, der dann wiederum in der Revision dieses Rückschrittes den Fortschritt erkannte. Diese kategoriale Verwirrung ist auch ein Resultat der intellektuellen Auszehrung, unter der die SPD leidet, seit sie regiert.


Sie eint mit der Union, was der Politologe Helmut Wiesenthal „das Handikap des mittelgroßen Landes“ genannt hat. Während kleine Länder wie die von der SPD als Vorbild genommenen skandinavischen ihre innere Verfasstheit und ihre Perspektiven immer in Abhängigkeit betrachten von den äußeren Bedingungen, der Globalisierung, und große Länder dazu neigen, diese äußeren Bedingungen zu einem steuerbaren Bestandteil ihrer Politik zu internalisieren, sind die mittelgroßen Länder vom globalen Wandel zwar betroffen, verarbeiten ihn aber in einem expliziten Binnendiskurs. Ihre Politik schwankt zwischen Gestaltungswillen und Anpassungsmanagement, und ihre Rhetorik betrachtet notwendigen Wandel vornehmlich im Lichte intra- und innerparteilicher Meinungskämpfe. Wer wie die FDP die Notwendigkeit der Anpassung einfach zum Optionsraum deklariert, gewinnt dabei genauso wie eine Partei „Die Linke“, die die Globalisierung ex cathedra nationalstaatlicher Gestaltbarkeit unterwirft.


Nun haben diese beiden extremen Sichtweisen durch die Finanzkrise der letzten Monate eine fatale Bestätigung erfahren. Gerade diese Phase, die als Stärkeausweis der Großen Koalition, vor allem aber der sozialdemokratischen Politik gilt, hat deren konzeptionellen Mangel offenbart. Ganz im Sinne des Schröderschen Diktums, es gebe keine rechte und keine linke Wirtschaftspolitik, haben die Akteure die Krise als Managementaufgabe, aber nicht als Reformprozess betrachtet. Die staatlichen Bürgschaften, Garantien und Rettungspakete vermittelten ein Bild geradezu unerschöpflicher Ressourcen des Staates; die exzessive Ausgabenpolitik war eingebettet in die keynesianische Rhetorik nationaler Wohlstandskreisläufe. Welchem Arbeiter, Rentner oder Empfänger von Hartz IV wäre da das Verlangen zu verdenken, auch die eigenen Belange in diese Kreisläufe eingespeist zu sehen? Einer Regierung, der eine Abwrackprämie recht ist, der kann eine Aufstockung des Arbeitslosengeldes II oder eine Lohnerhöhung doch nur billig sein. Zumal nach Ansicht nicht nur der Linken in der SPD das Ende des Neoliberalismus besiegelt scheint.

Verfangen im Industrialismus von gestern

Doch davon kann keine Rede sein. Die milliardenschweren Rettungsmaßnahmen der rot-schwarzen Bundesregierung atmeten jenen Geist der Alternativlosigkeit, der seit Margaret Thatchers Zeiten Markenzeichen des Neoliberalismus ist. An den Grundstrukturen des Finanzsystems hat sich wenig geändert, und die Profiteure sind die gleichen geblieben. Die SPD versäumte, ihr Eigenprofil kenntlich zu machen, sie folgte der liberalen Ideologie, dass der Staat sich aus der Wirtschaft fern halten solle, und verzichtete auf eine Sicherung der staatlichen Gelder, die in einer Beteiligung an den jeweiligen Schuldnern bestanden hätte. Kein Marktunternehmen hätte sich so verhalten. Damit vergab sie die Chance, die Wirtschaftskrise zum Wahlkampfthema zu machen.


Wenn es noch eines Beleges der Grenzen nationalen Handelns in einer globalisierten Welt bedurfte, so wurde er mit der Abwrackprämie erbracht. Sie förderte in nicht unerheblichem Maße den Absatz ostasiatischer Autos. Und während die SPD, in ihrem Industrialismus verfangen und mit der Partei „Die Linke“ um die Zuwendung der Gewerkschaften buhlend, mit Opel ein auslaufendes Modell auf einem übersättigten Automarkt mit Milliarden protegierte, vermeldete eine kaum beachtete Studie der Landesbank Baden-Württemberg, dass sich chinesische Firmen in der Solarindustrie mittlerweile enorme Kosten- und Effizienzvorteile erarbeitet haben. Dabei wähnte der Umweltminister uns auf diesem Gebiet doch noch als Spitzenreiter.


 Wer angesichts dieser Entwicklung in das bekannte Lamento über die Konkurrenz der Niedriglohnländer einstimmt, hat eine etwas altbackene Vorstellung von den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs. Solarmodule sind in China fast um die Hälfte billiger, der Lohn hat an der Preisreduktion aber nur einen Anteil von gut 50 Prozent, der Rest beruht größtenteils auf Innovationen. Allein im vergangenen Jahr steigerte China seinen Weltmarktanteil von 28 auf 33 Prozent, während Deutschlands Anteil um 2 Prozentpunkte auf 19 Prozent zurückging. Der globale Wettbewerb hat längst die hochqualitativen Sektoren erreicht. An Chinas Universitäten schließen mittlerweile jährlich 4 Millionen Menschen ihre Ausbildung ab, Chinas Anteil an den 500 Spitzenuniversitäten der Welt stieg allein zwischen 2006 und 2008 von 1,8 auf 6 Prozent. (Deutschland: 8 Prozent).

Arbeitende sichern, nicht alte Arbeitsplätze

Auch darin ist der Unterschied in den jährlichen Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes begründet, die in China mit 8 Prozent und in Europa mit 1,2 Prozent veranschlagt werden. Europa und Deutschland werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu den Verlierern der künftigen weltwirtschaftlichen Entwicklung gehören. Der Anteil am Weltbruttosozialprodukt wird in den kommenden 30 Jahren voraussichtlich auf ein Fünftel des heutigen Wertes fallen, in China hingegen von derzeit 17 auf 40 Prozent steigen.


Ob Deutschland unter diesen Bedingungen sein Wohlstandsniveau wird halten können, ist fraglich, zumal der Klimawandel und die Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen werden, mit nicht vollends kalkulierbaren volkswirtschaftlichen Belastungen verbunden sind. Allerdings wird sich das Wohlstandsniveau nur bei einer entsprechenden Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität stabil halten können. Dies setzt enorme staatliche Investitionen voraus in Wissenschaft und innovative Wirtschaftsfelder, in die Bildung des Humankapitals und eine Verlagerung der Wirtschafts- und Arbeitsförderung weg von den meist alten und teuren Großindustrien hin zu den innovativen Feldern der Umwelt- und Gesundheitsindustrien und zu den flexiblen Arbeitsverhältnissen des Dienstleistungsbereiches. Auf die Diversifizierung der Arbeitsverhältnisse kann man nicht mehr mit der Sicherung der Arbeitsplätze antworten; es gilt, die Arbeitenden zu sichern.  

Die Geschlossenheit einer hermetischen Partei

Die Fähigkeit, das Wohlstandsniveau zu halten, wird durch die demografische Entwicklung der deutschen Gesellschaft im wachsenden Maße eingeschränkt. Die Abgabenquote (Steuern und Sozialabgaben in Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP)) wird von 35,7 Prozent im Jahr 2006 auf 50 Prozent im Jahr 2050 ansteigen. Zugleich betrug bereits 2005 der Anteil der staatlichen Mittel, der nicht durch Zinszahlungen, Schuldentilgung, Sozialausgaben und Pensionen et cetera festgelegt ist, in dem sich also der staatliche Gestaltungsanspruch manifestiert, lediglich 18,8 Prozent. Aufgrund der Finanzkrise wird dieser Anteil weiter bedenklich schrumpfen, denn die Schulden des Staates werden auf etwa 80 Prozent des BIP steigen. Allein die Zinszahlungen dafür werden etwa 76 Milliarden Euro betragen, was der Hälfte des Aufkommens aus Lohn- und Einkommenssteuer entspricht.


Unter diesen Bedingungen wird sich Reformpolitik auch künftig im Wesentlichen in Anpassungsmanagement erschöpfen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie nicht genug Spielraum für eine parteipolitische Ausprägung lässt. Diese Ausprägung ist pfadabhängig, das heißt eine sozialdemokratische Reformpolitik wird nicht allein nach den Nutzenkalkülen der jeweiligen Adressaten beurteilt, sondern erweist ihre Plausibilität vor allem in der offenbarten politischen Kontinuität des Adressierenden. Sie ist zuallererst immer ein innerparteilicher Prozess. Eine Partei wie die SPD, die ihre eigene Politik selbst dementiert, hat nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem, sondern nährt auch Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit. Dies umso mehr, als sie nicht in der Lage ist, die inneren Widersprüche, die ja immer auch Widersprüche der Gesellschaft sind, so auszutragen, dass der Willensbildungsprozess erkennbar wird, der laut Verfassung ja ihr Daseinszweck ist. Je offensichtlicher diese Widersprüche wurden, desto hermetischer agierte die Partei und desto gespenstischer wirkte diese Art der Geschlossenheit.


Es ist bezeichnend, dass eine sechs Jahre zurückliegende Entscheidung für die Hartz IV-Reform nun als Quell der aktuellen Misere ausgemacht und eine Revision erwogen wird. Eine solche Revision würde kaum als eine Änderung in der Sache begriffen werden, sondern als eine bündnis- und wahltaktischen Kalkülen geschuldete, zumal sie, da die SPD nun in der Opposition ist, wohlfeil daherkäme. Das Problem der SPD ist nicht eine Reform von Hartz IV, der die meisten, die seitdem maulend das Haupt erheben, seinerzeit auf dem Berliner Parteitag zugestimmt haben. Ihr Problem sind die sechs Jahre – gelingendes Anpassungsmanagement sieht flotter aus.

Eine Erzählung des Fortschritts gab es nicht

Die sozialdemokratische Regierungspolitik der vergangenen elf Jahre war von einer eigentümlichen Paradoxie geprägt: Sie machte die richtigen Schritte aus der industriegesellschaftlichen, aus der bundesrepublikanischen Ära Deutschlands, interpretierte sie jedoch im Lichte dieser hinter sich gelassenen Zeit und erweckte so den Eindruck, als ließe diese sich zurückholen.


Der erratische Reformprozess der Ära Schröder führte immerhin zu vier strukturellen Veränderungen und damit zum Ende des bundesrepublikanischen Modells Deutschland: Durch die Reform der Unternehmensbesteuerung wurden die verflochtenen Beteiligungsstrukturen der deutschen Unternehmen aufgelöst, deren Netzknoten die Banken und Versicherungen waren; das Kapital wurde global. Zugleich wurde mit dem Bündnis für Arbeit der deutsche Korporatismus beerdigt. Ihm war schon zuvor durch die Auflösung des Flächentarifvertrages und die schwindende Organisationskraft der Tarifpartner der Boden entzogen. Durch die Hartz-Reformen wurde die Statussicherung der arbeitslos gewordenen Arbeitskraft auf eine Existenzsicherung reduziert, verbunden mit dem Versprechen auf schnelle Wiedereingliederung. In der Frauenpolitik wurde der wachsenden Erwerbstätigkeit von Frauen sowie dem demografischen Faktor Rechnung getragen. Und in der Energiepolitik leitete die SPD-geführte Regierung die Wende zu mehr Nachhaltigkeit ein und förderte neue produktive Industriesektoren. Diese Politik wurde in ihren Grundstrukturen in der Großen Koalition fortgeführt, weshalb die SPD zu Recht die politische Meinungsführerschaft reklamierte. Dennoch ist sie gescheitert.


In der Sache waren diese Reformen erfolgreich, gleichwohl gelang es der SPD nicht, aus diesen Ingredienzien eine Erzählung des Fortschritts zu formulieren. Sie waren die Einleitung eines zuvor jahrelang versäumten strukturellen Wandels, wurden jedoch im Vokabular gängiger Parteienkonkurrenz formuliert. Das war den jeweiligen performativen Erfordernissen geschuldet, das war aber vor allem auch Resultat des Umstandes, dass die jeweiligen Protagonisten auch nach innen nicht artikuliert haben, welche strukturellen Notwendigkeiten es gibt und welche Handlungsoptionen offen stehen. Hic Reform, hic salta wurde zum Ausweis einer falschen Führungskompetenz.

Kommt die Diskurshegemonie der Linkspartei?

Diese hatte zur Folge, dass die Unternehmenssteuerreform durchgewunken wurde, obgleich die Freistellung der Veräußerungsgewinne in ihrer Höhe ebenso wenig notwendig war, um die verkrusteten Strukturen zu lockern, wie die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Reform der Einkommenssteuer. Dies führte dazu, dass die Hartz-Reformen in Gänze zum sozialdemokratischen Markenkern geadelt wurden, obgleich weder die Höhe der Sätze noch die Schonvermögen substanzieller Bestandteil der angestrebten Förderstruktur waren. Sie hätten zügig nachgebessert werden können. Zugleich wurde die mangelhafte Nachfrage nach den Geforderten auf dem Arbeitsmarkt als strukturelles Problem vernachlässigt, weil man flügelübergreifend die Vollerwerbsgesellschaft aus der industriegesellschaftlichen Vergangenheit zumindest proklamatorisch in die Zukunft retten wollte.


Die Politik der Neuen Mitte war eine unvollständige Reformerzählung der Regentschaft Schröder, die zu einem dogmatischen Pragmatismus erstarrte, der sich auch gegen die eigene Partei richtete. Wird sie nun teilweise oder gar gänzlich revidiert, so mag dies sinnvoll sein, um die innerparteiliche Auseinandersetzung wieder in Fluss zu bringen – eine neue Richtung erwächst daraus alleine noch nicht und ein neues altes Wählerpotenzial erschließt sich allein damit ebenfalls nicht. Allenfalls würde es als eine taktische Anpassung an die Positionen der Linkspartei wahrgenommen und damit als Unterordnung unter deren Diskurshegemonie.

Wo eine Oppositionsstrategie ansetzen muss

Im parlamentarischen System ist nur machbare Politik Machtpolitik. Ein oppositioneller Gestus, der sich nicht in diese Richtung orientiert, läuft über kurz oder lang leer. Ein eigenes neues Profil gewinnt die SPD nicht, indem sie lediglich ihr altes revidiert. Sie gewinnt es erst, indem sie ihre Vorstellungen in den Kontext der oben skizzierten globalen und nationalen Rahmenbedingungen auf ihre Machbarkeit hin durchdekliniert und daraus ein Fortschrittsprojekt destilliert. Dann wird sich erweisen, dass eine entscheidende Differenz zur Linkspartei nicht in den Bergen Afghanistans liegt, sondern im deutschen Schuldenberg verborgen ist. Fortschrittlich ist eine Politik nur, wenn sie die Finanzen als einen integralen Bestandteil eines Programms der Nachhaltigkeit begreift, wenn sie Schulden mindert, wenn sie vor allem nicht auf dem Trugschluss basiert, dass Mehrausgaben – aber auch Steuersenkungen – sich refinanzieren. Das setzt allerdings voraus, dass man diesen Fehlannahmen nicht selbst erliegt.


Das Prosperitätsmodell der alten Bundesrepublik ist Geschichte, und es gibt berechtigte Zweifel, dass es in einer anderen Konfiguration zu einer Wiederauflage kommen kann. Gleichwohl bewegt sich die SPD nach wie vor in diesen Koordinaten. Die Pole wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Entwicklung, statusunabhängige Teilhabe durch Bildung, leistungsgerechte Beteiligung am Erwirtschafteten und sozial gerechte Sicherung der Existenz lassen sich nicht mehr als integriertes Modell organisieren, wie es bislang noch die Rhetorik aller Parteien nahe legt. Wir gehen konfliktreicheren Zeiten entgegen.


Union und FDP, darin liegt ihr gemeinsamer Grundnenner, werden im Wachstumspfad den Fortschritt ihrer Politik ausmachen. Die Linkspartei wird in diesem Wachstumspfad den Quell verteilungspolitischer Maßnahmen und gerechtigkeitspolitischer Angriffe sehen, die so maßlos sein werden wie die Haltung der Manager, die meinen, dieses Wachstum hervorgebracht zu haben. Die Grünen agieren mit der doppelten Annahme, dass eine ökologische Industrie eine angemessene Kompensation niedergehender oder sich verlagernder Industrien sein kann und dass nachhaltiges Wirtschaften nicht mit Wohlstandskonflikten verbunden sein wird. Was eine Verzichtswirtschaft bedeuten würde, die sie ab und an als Notwendigkeit anklingen lassen, also eine Wirtschaft, die nicht mehr auf Wachstum basiert, haben sie weder inhaltlich noch politisch durchdekliniert. Die SPD pegelt in ihrer aktuellen Zerrissenheit zwischen diesen drei Polen. Statt sich, wie eine starke Strömung fordert, für einen dieser Pole zu entscheiden, sollte die SPD die augenblickliche Mittellage zum Ausgangspunkt ihrer Oppositionsstrategie nehmen.

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