Nächste Schritte in Europa



War die Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland ein Schritt zur Krisenlösung in Europa? Gibt es Grund zur Hoffnung? Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit der griechischen Regierung und eines möglichen „Grexit“ gewiss. Aber in jeder anderen Hinsicht war der Verlängerungsbeschluss für beide Seiten nur ein Zeitgewinn, verbunden mit der Hoffnung, in den kommenden Monaten möge vielleicht doch noch ein Wunder geschehen.

Doch für die notwendigen Wunder auf beiden Seiten war das Aufeinandertreffen der verlässlich dem Spardiktat verhafteten Gläubigerländer mit dem rebellischen Schuldner wenig hilfreich. Die Gläubigerfront besteht zu Recht darauf, dass Verträge von Vorgängerregierungen auch von nachfolgenden Regierungen eingehalten werden müssen. In Europa (und nicht nur da) würde Chaos ausbrechen, wenn sich neu gewählte Regierungen von früheren Verpflichtungen einfach verabschieden könnten. Keine Investition würde mehr getätigt, kein Kredit mehr an eine Regierung vergeben. Kein Arbeitsplatz würde entstehen, sondern die Welt würde ökonomisch und politisch noch unsicherer, als sie es jetzt schon ist. Im internationalen Raum gilt der Rechtsstaat nicht. Umso wichtiger ist es, dass sich alle Regierungen bewusst sind, Rechtsnachfolger ihrer Vorgänger zu sein.

Das Schuldnerland Griechenland hat jedoch ebenso ein Recht darauf, die Austeritätspolitik der Troika zu kritisieren. Weniger, weil die griechischen Preise, Löhne und Renten nicht korrigiert werden mussten. Sondern weil es in der Troikapolitik keinen Schutz gegen soziale Härten gab. Die Troika selbst hätte – dem europäischen Sozialmodell verpflichtet – darauf achten müssen, dass Sparpolitik sozialverträglich verwirklicht wird und nicht Hunderttausende in soziale Not bringt. Das hat sie sträflich versäumt. Die Reaktionen gegen die sozial ungerechten Sparauflagen sind daher verständlich und berechtigt.

In geradezu neurotischer Weise sind jedoch beide Seiten ausschließlich auf ihre eigene Sichtweise fixiert und nicht bereit, die Perspektive der anderen auch nur symbolisch anzuerkennen. Finanzminister Yanis Varoufakis hält es für eine besonders kluge Verhandlungsstrategie, den Rest der Finanzminister durch weitergehende Forderungen und Drohungen zu provozieren. Wolfgang Schäuble und die Kritiker Griechenlands in den Unionsparteien und der Bild-Zeitung hingegen lassen jegliche Empathie für die griechischen Bürger vermissen, die keine Yacht im Mittelmeer oder dicke Bankkonten im Ausland besitzen.

Tragisch ist zudem, dass die Auseinandersetzung zwischen Schuldnern und Gläubigern nicht in der Sache ausgetragen wird, sondern fast ausschließlich als eine zwischen nationalen Interessen. „Sollte die griechische Regierung ihr Wahlversprechen finanzieren mit dem Steuerzahlergeld anderer Länder, dann wird das nicht gehen“, rief Carsten Schneider im Deutschen Bundestag. Damit hat sich die SPD in die allgemeine deutsche Kraftmeierei eingereiht. Doch hilft das weiter?

Die Diskussion über das nächste Hilfspaket steht uns im Sommer ins Haus. Wünschenswert wäre, dass sich sowohl die Nachfolger der Troika als auch die Mitglieder der Eurozone Gedanken über ein sozialverträgliches Reformprogramm in Griechenland machen, statt sich weiter in Drohgebärden zu üben. Könnte nicht die Friedrich-Ebert-Stiftung ein Partnerprogramm mit der Restpartei PASOK oder auch mit Syriza selbst auflegen, um Alternativen in der Sparpolitik zu erarbeiten? Könnten sich nicht Deutsche und Griechen gemeinsam auf ein Recht auf ausreichende Krankenversorgung in Europa verständigen? Damit würden die Griechen nicht aus der Verantwortung entlassen, ihr eigenes Gemeinwesen zu gestalten. Sondern man würde die politische Integration Europas, die ja kommen muss, durch Praxis untermauern.

Es bleibt also viel zu tun – und die Lage spannend. Wir werden uns noch viele Jahre mit den Sorgen Europas beschäftigen. Für mich ist jedoch nach fast zehn Jahren als Kolumnistin Zeit für etwas Neues. Ich wünsche der Berliner Republik viel Glück für ihre wichtige Aufgabe, dem Fortschritt einen Platz in der deutschen Politik zu verschaffen.

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