Sozialdemokratie und kreative Wirtschaft
Das zeigt nicht zuletzt der Blick in das neue Grundsatzprogramm, das den tiefgreifenden Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft in den Mittelpunkt rückt, von dort aus Fragen stellt – und neue Antworten gibt. Die dort formulierte Position ist unmissverständlich: Wir sind nicht Opfer von Entwicklungen, sondern wir erheben einen politischen Gestaltungsanspruch. Ihn machen wir geltend, weil wir realistisch genug sind, die Veränderungen der Welt wahrzunehmen – und visionär genug, uns eine gerechtere Gesellschaft auch unter neuen Bedingungen vorzustellen.
Dabei reichen die Spannungsbögen vom Demokratischen Sozialismus bis zum vorsorgenden Sozialstaat, von einer soliden Haushaltspolitik für mehr Generationengerechtigkeit bis hin zu mehr Zukunftsinvestitionen und der Förderung von wirtschaftlicher Leistung, die wir brauchen, um die soziale Durchlässigkeit unserer Gesellschaft zu fördern und Spielräume auf der Verteilungsseite zu erschließen. Damit das gelingt, müssen wir vor allem neue Entwicklungen wahrnehmen und aktiv nutzen. Dazu gehört nicht zuletzt das enorme Potenzial der Kreativwirtschaft.
In dem in Hamburg verabschiedeten Leitantrag „Kultur ist unsere Zukunft“ setzen wir uns hiermit auseinander. Einen wichtigen Schwerpunkt des Antrags bildet diese Branche, die in Ermangelung besserer Alternativen noch etwas unsicher als Kultur- und Kreativwirtschaft bezeichnet wird. Ich verwende im Folgenden den Begriff der Kreativwirtschaft in dem Sinne, dass dabei zusätzlich zu den eher traditionellen Branchen der Kulturwirtschaft wie dem Verlagswesen oder der Filmproduktion auch die neu hinzugekommenen digitalen Medien und Vertriebswege eingeschlossen sind. Denn genau um die hiermit verbundenen Veränderungen geht es.
Der Hamburger Leitantrag stellt fest: „Wegen ihres enormen Wachstums- und Beschäftigungspotenzials ist die Kultur- und Kreativwirtschaft neben ihrem hohen kulturellen Wert zu einer wirtschafts-, arbeitsmarkt- und technologiepolitischen Schlüsselbranche geworden. Es gilt, insbesondere das Potenzial kleiner und mittlerer Unternehmen im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft zu fördern und zu stärken, da gerade sie wesentlich zu Wachstum, Beschäftigung und Innovation beitragen.“
Mit wem und mit was haben wir es zu tun?
Das wollen wir machen. Noch wissen wir aber zu wenig über die neuen Entwicklungen. Es herrscht bislang viel Unsicherheit darüber, mit was und mit wem wir es hier eigentlich zu tun haben. Um mehr über den neuen, immer noch recht heterogenen Branchenkomplex zu erfahren und mit den Kreativen ins Gespräch zu kommen, beschäftigt sich das Forum Wirtschaft der SPD seit gut einem Jahr intensiv mit dem Thema Kreativwirtschaft – so zum Beispiel auf einer viel beachteten öffentlichen Veranstaltung am 17. September 2007 im Willy-Brandt-Haus. Und immer öfter erscheinen spannende Artikel über die Kreativwirtschaft, wie zuletzt in der Berliner Republik 5/2007. Dort wird die ganze Breite und Bedeutung der Entwicklung deutlich – von der unternehmerischen Dynamik über die kreative Kraft bis hin zum Ausdruck von neuer Freiheit und selbstbewusster Selbstbestimmung der Kreativen, die in einer streng durchorganisierten und zeitlich eng getakteten Wirtschaft für viele Menschen bereits verloren gegangen ist.
Keine Kreativwirtschaft ohne Internet
Immer wieder überrascht uns der technische Fortschritt mit seinen Folgen. Die wirklich großen Innovationen verändern nicht nur die Wirtschaft an sich. Sie dringen weit in unsere Lebensgewohnheiten ein und stoßen gesellschaftliche Veränderungen an, die sich vorher niemand vorstellen konnte. So geht es uns mit der Informations- und Kommunikationstechnologie und vor allem mit ihrer Krönung, dem Internet. IT und Internet bilden auch die Grundlage für die Entstehung der Kreativwirtschaft, die ohne diese neuen Technologien so nicht denkbar wäre. Mit Hilfe von digitalen Plattformen gelingt es Kreativen immer wieder, den alten Widerspruch zwischen kreativer Kulturarbeit und profaner Ökonomie zu überbrücken. Und das mit einer beeindruckenden Dynamik. Fast unbemerkt ist die Kreativwirtschaft vom Rand der Volkswirtschaft immer weiter in ihr Zentrum vorgerückt.
Die Zahlen belegen das: Im Jahr 2006 waren in der deutschen Kreativwirtschaft – die bis zu dreizehn Branchensegmente von der Musikindustrie über das Fernsehen, von der Mode über das Verlagswesen bis hin zur Werbe- und Beraterindustrie umfasst – rund 218.000 steuerpflichtige Unternehmen aktiv, vom großen international agierenden Player wie zum Beispiel Bertelsmann über erfolgreiche mittelständische GmbHs bis hin zum freien Selbständigen. Zusammen erwirtschaftete die Branche ein Umsatzvolumen von immerhin 126 Milliarden Euro, der Beitrag zur Wertschöpfung lag bei 58 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland – das ist mehr, als die Chemieindustrie, der Energiesektor oder die Landwirtschaft aufbieten können!
Wer hätte das vor wenigen Jahren noch gedacht? Das Platzen der IT-Blase Anfang dieses Jahrzehnts mit der Folge wirtschaftlicher Stagnation hatte vor allem die Kreativwirtschaft hart getroffen. Viele Unternehmen aus den klassischen Industriebranchen haben in dieser Zeit ihre Werbeetats gekürzt und sich auf das so genannte Kerngeschäft konzentriert. Der Aufschwung der letzten zwei Jahre hat das Bild wieder gedreht: Kein Marketingprojekt, kein Film, keine Internet-Plattform wird mehr ohne eine Vielzahl von kreativen Selbständigen entwickelt. Tatsächlich waren im Jahr 2005 mehr als 150.000 freiberufliche Büros und gewerbliche Kleinstunternehmen im Kreativsektor tätig. Insgesamt zählt die Branche – je nach Definition – zwischen 850.000 und 950.000 Beschäftigte, Tendenz steigend. Die Zahlen belegen: Wir haben es hier mit einer hochgradig dynamischen Wachstumsbranche an der hochproduktiven Schnittstelle von Kreativität und Ökonomie zu tun.
Hochproduktiv, aber heterogen
Hochproduktiv ist diese Branche, aber eben auch sehr heterogen. In unserer Mediengesellschaft werden gerade die starken Player wirtschaftlich zum Teil immer mächtiger, während viele der „kleinen Kreativen“ um das ökonomische Überleben kämpfen müssen und sich nicht selten dabei selbst ausbeuten. Das zeigt insbesondere der Blick auf die wirtschaftlich schwierige Phase zwischen 2001 und 2005. In dieser Zeit stieg das durchschnittliche Umsatzvolumen der großen Unternehmen der Branche zwar von rund 1,8 Millionen auf mehr als 2,2 Millionen Euro, gleichzeitig sank aber der durchschnittliche Umsatz der „kleinen Kreativen“ von knapp 130.000 auf weniger als 115.000 Euro – eine problematische Entwicklung. Der ständigen Zunahme der kleinen kreativen Büros stand also eine Abnahme des Umsatzes gegenüber, was nicht verwunderlich ist in einer Zeit schrumpfender Märkte. Es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, mehr Wachstumsdynamik zu organisieren – eine deswegen gerade auch für uns Sozialdemokraten wichtige Aufgabe.
Die Politik muss sich also auf eine Branche einstellen, die vielfältiger nicht sein könnte. Den großen Playern muss nicht unter die Arme gegriffen werden, sie expandieren von alleine in die ganze Welt; dafür aber den vielen „kleinen“ Künstlern, den Designern und Galeristen, den Verlegern und Werbern. Diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen kommt die eigentliche Schlüsselrolle in der Branche zu. Denn sie vor allem organisieren mit ihren Netzwerken die Brücke zwischen Kultur und Ökonomie, sie verändern unsere Gesellschaft positiv durch ihr Beispiel selbstbewusst gelebter Freiheit.
Erst einmal verstehen, was da passiert
Was kann und soll Politik also tun? Zuallererst einmal zuhören und verstehen, was da passiert. Ich gebe es ungern zu, aber das europäische Ausland ist hier zum Teil schon weiter, etwa in Großbritannien. Dort haben die Kreativen mit dem creative industries minister bereits seit längerem einen hochrangigen Ansprechpartner. Auch internationale Organisationen wie OECD, Weltbank, ILO, UNESCO und besonders die EU sind inzwischen politisch aktiv geworden. Wie Ian Brinkley im Schwerpunkt der vorigen Ausgabe der Berliner Republik eindrucksvoll darstellt, ist in Großbritannien längst eine politische Gesamtidee dazu entwickelt worden, wie dieser zunehmend wichtige Branchenkomplex stabilisiert und gefördert werden könnte. In Deutschland ist das nicht der Fall.
Dabei will ich nicht verschweigen, dass nicht zuletzt sozialdemokratisch geführte Landesregierungen – seinerzeit etwa in Nordrhein-Westfalen – vergleichsweise früh und mit einigem Erfolg begonnen haben, die heterogene Branche gerade in den wirtschaftlich schlechten Zeiten finanziell zu unterstützen. Aber das reicht nicht. Kreativität macht nun mal nicht an Landesgrenzen Halt. Wir brauchen eine auf nationaler Ebene verankerte Strategie, die der Heterogenität der Branche gerecht wird. Dabei besteht weder für eine flächendeckende Förderung dieser dynamischen Branche ein Anlass, noch wäre es gut, wenn wir den Selbstbestimmungsdrang der Kreativen durch staatliches Umhegen und Sorgen behindern würden. Ich bin mir sicher, dass wir die Vorbehalte, die es bei vielen Kreativen gegenüber der Politik gibt, so nur verstärken würden. Und das wollen wir nicht.
Die SPD war immer dann stark, wenn sie sich auch als Partei des kulturellen Fortschritts verstand, wenn sie sich auf kreative, dynamische Gruppen einließ und offen für Neues war. Vielleicht hat das niemand so gut gekonnt wie Willy Brandt, gerade weil er nicht ängstlich war, sondern neugierig nach Neuem Ausschau hielt. Bei ihm kamen Person und Politik in einer so interessanten Mischung zusammen, dass die kreativen Künstler seiner Zeit bereit waren, ihn und die SPD zu unterstützen. Helmut Schmidt hat das weiter geführt und mit der Alterssicherung für selbständige Künstler ein wichtiges materielles Zeichen gesetzt, eine sozialpolitische Lex Artis. Gerhard Schröder hat nicht nur die Institution des Kulturstaatsministers ins Leben gerufen; auch er hat den Austausch mit Kreativen gesucht, wenn auch eher aus den traditionellen Bereichen der Schriftsteller, Maler und Künstler.
Neugier auf die „digitale Bohème“
Wir sozialdemokratischen Politiker von heute tun gut daran, diese Tradition auch mit der so genannten digitalen Bohème fortzusetzen. Ich für meinen Teil will das gerne machen und ich weiß, dass es viele sozialdemokratische Politiker ebenso halten. Nicht nur, weil dieser Kontakt auch persönlich bereichert, sondern weil besonders wichtig und faszinierend ist, dass in der hoch innovativen, dynamischen Kultur- und Kreativwirtschaft sozialer Aufstieg auch ohne zertifizierte Bildungsabschlüsse möglich ist. In der Branche gilt: Erfolgreich ist, wer eine gute Idee hat und diese mit Konsequenz umsetzt. Bestnoten beim Abitur sind dafür keine zwingende Voraussetzung. Endlich gibt es wieder so einen Bereich! Gerade dachten wir noch, dass so etwas in der globalisierten Wirtschaft von heute endgültig verloren sei. Die Kreativwirtschaft bietet ganz neue Chancen des sozialen Aufstiegs auch für jene, die keinen linearen Lebensweg hinter sich haben, die sich mit formalen Bildungswegen schwer tun oder einfach eine andere Vorstellung davon haben, wie sie ihre Lebens- und Arbeitszeit aufteilen wollen. Das gilt nicht zuletzt auch für Frauen. Nicht von ungefähr weisen die Kultur- und Medienbetriebe gegenüber den Altindustrien einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Frauenarbeitsplätzen auf.
Das distanzierte Unternehmerbild der SPD
Für uns Sozialdemokraten ist auch die lebendige Kultur der Selbständigkeit in der Kreativwirtschaft spannend. Zum einen könnte der Austausch mit den kreativen Unternehmerinnen und Unternehmern dazu beitragen, dass die SPD ihr immer noch eher distanziertes Unternehmerbild weiter überarbeitet und differenziert. Zum anderen kann diese selbstbewusste Selbständigkeit eine gute Antwort sein auf die zunehmenden biografischen Brüche, die sich ergeben, weil es immer weniger „sichere“, geschweige denn garantiert „lebenslange“ Arbeitsplätze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt. Wir wollen eine Kultur der Selbständigkeit fördern, im Hinblick auf neue Arbeitszeitmodelle, auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere und für eine größere Wachstumsdynamik unserer Volkswirtschaft – zum Wohle aller.
In seinem Buch The Rise of the Creative Class verweist der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida auf drei zentrale Bedingungen, die für eine dynamische Entwicklung der Kreativwirtschaft erfüllt sein müssen: Technologie, Talente und Toleranz. Wo diese drei T’s zusammenkommen, wie zum Beispiel in den Kreuzberger Hinterhöfen, kann die Kreativwirtschaft gedeihen.
Vielleicht ist Toleranz am wichtigsten. Sie ist eine gesellschaftliche Aufgabe, bei der Politiker vor allem Vorbild sein können und müssen. Technologie und Talente können wir dagegen direkter fördern, in dem wir die Investitionen in die zentralen Zukunftsbereiche weiter verstärken: Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Bildung und Forschung. Deshalb vertrete ich den Ansatz einer gestaltenden Finanzpolitik, die sowohl konsolidiert als auch Impulse setzt.
Neben der Haushaltssanierung ist gleichzeitig die Stärkung des Wachstumspotenzials notwendig, und das setzt voraus, dass ein Teil der wirtschaftlichen Zuwächse vor allem und zu allererst in Zukunftsbereiche investiert wird. Dann ist im Ergebnis erreichbar, dass der Staat keine neuen Schulden mehr macht, sondern den Schuldenberg sogar abbaut, um weniger Zinsen zahlen zu müssen. Mir erscheint es nicht erstrebenswert, das Geld für alte Schulden auf die Bank zu tragen. Immerhin muss alleine der Bund den Banken jedes Jahr rund 40 Milliarden Euro an Zinsen zahlen – jeder sechste Euro, den wir ausgeben können. Ich will dieses Geld eher in Bildung, Betreuung oder Forschung investieren.
Auch Kreativität braucht Sicherheit
Das ist natürlich ein langer Prozess, den wir aber mit Erfolg begonnen haben. Kurzfristig und etwas direkter spielen vor allem die Fragen der sozialpolitischen Absicherung der kreativen Selbständigen und des Schutzes des geistigen Eigentums eine wichtige Rolle.
In der Kreativwirtschaft gibt es bei aller Begeisterung, bei allem Selbstbewusstsein eine latente Gefahr der sozialen Deklassierung, und das betrifft bei Weitem nicht nur die oft schamlos ausgenutzte „Generation Praktikum“. Die Risiken, die eine selbständige Existenz immer mit sich bringt, sind wegen der großen Zahl von Selbständigen und Kleinstunternehmern in der Kreativwirtschaft besonders hoch. Selbständige sind gesetzlich nicht sozial abgesichert, sie müssen keine Arbeitslosen- oder Rentenversicherung bezahlen. Sie leben oftmals in prekären materiellen Verhältnissen, beuten sich dabei selbst aus und sind häufig nicht in der Lage, materielle Rücklagen für Alter oder Krankheit zu bilden.
Mehr Respekt vor geistigem Eigentum
Daraus folgt: Auch Kreativität braucht Sicherheit. Wir sollten zum einen dafür sorgen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in der Kreativwirtschaft auch im Falle eines betriebswirtschaftlichen Misserfolgs eine zweite Chance erhalten, zum anderen dafür, dass sie und ihre Beschäftigten in diesem Fall sozial abgesichert sind. Das heißt für Sozialdemokraten, sich von dem Bild zu lösen, dass nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soziale Absicherung brauchen. Selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen sie ebenfalls, ohne dass sie sich selbst als soziale Pflegefälle einstufen würden. Ich gebe zu, dass ich noch keine belastbare Antwort auf die Frage habe, wie eine solche soziale Absicherung aussehen kann und wie sie finanziert werden soll. Aber wir müssen darüber nachdenken.
Ein weiterer Punkt betrifft die komplexe Frage, wie wir mit geistigem Eigentum umgehen, wie wir es in der digitalen Welt vor illegalem Downloaden schützen, ohne gleichzeitig die kreative Atmosphäre zu beschädigen, die eben auch vom (digitalen) Austausch lebt. Digitalisierung und Internet schaffen ganz neue Probleme für den Schutz des geistigen Eigentums. Die Kreativwirtschaft ist in besonders starkem Maße von digital ausgeübten Eigentumsverletzungen betroffen, und zwar häufig, ohne dass dabei wenigstens ein Unrechtsbewusstsein entstanden wäre. Vielleicht auch deswegen, weil digitale Dienstleistungen und Produkte nichts „Anfassbares“ sind, sondern Werte, die mit wenigen Klicks über Internetbrowser und CD-Brenner nicht nur einmalig den Besitzer wechseln, sondern viele neue Schein-Besitzer bekommen, die dafür nichts bezahlen.
Das ist die Schattenseite der toleranten, kreativen Szene, ihrer Kunden, Nutzer und Anhänger. Urheberrechtsverletzungen und Produktpiraterie werden im Kopier- und Downloadprozess meistens nicht einmal als Regelverletzung erkannt oder eben grob missachtet. Dieter Gorny hat in der vorigen Berliner Republik deutlich gemacht, dass nur gestohlen wird, „was Wert hat“ und die berechtigte Frage gestellt, warum wir „einer Handtasche mehr Respekt entgegen(bringen) als einem Kinofilm, einem Popalbum oder einer Software?“
Die Politik muss also dafür sorgen, dass die Stellung der Urheber auch in der Welt des Internets nicht nachhaltig geschwächt wird. Dazu gehört ein ausreichender Schutz, der auf der anderen Seite den digitalen Austausch in seiner produktiven Kraft nicht verhindert. Die Kreativen selbst nutzen die neuen technischen Möglichkeiten der Vermarktung und Verbreitung kreativer Leistungen. Auch an dieser Stelle räume ich ein, dass wir an dieser Balance trotz der ausgezeichneten Arbeit von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries noch weiter arbeiten müssen. Wir stehen mitten in einem Veränderungsprozess, der die Politik herausfordert, geltendes Recht auf die neuen technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters anzuwenden.
Nicht die schlechteste Aufgabe für die SPD
Ein letzter Punkt: Wir haben es bei der Kreativwirtschaft mit einer sehr heterogenen und noch jungen Branche zu zun. Viele der Kreativen sind ihrem Selbstverständnis nach eher politikfern. Darum ist es kein Wunder, dass noch keine starke Interessenvertretung existiert – und vielleicht wird es sie auch nie geben. Mein Eindruck ist: Viele Kreative wollen keine organisierte Interessenvertretung, weil dies ihrem Selbstverständnis nicht entspricht. Aber sie brauchen ein Sprachrohr in der Politik. Es wäre nicht die schlechteste Aufgabe für die SPD, sich in einem bestimmten Rahmen als die Interessenvertretung dieser Gruppen zu verstehen. Auch so könnte Politikferne abgebaut werden.