Was junge Frauen von der SPD erwarten
Mit 41 Prozent hat die SPD bei den unter 25-jährigen Frauen ein weit überdurchschnittliches Wahlergebnis erzielt. Die Union kam in diesem Segment gerade einmal auf 26 Prozent. Es ist offensichtlich: Das Frauen- und Familienbild der Sozialdemokratie, so wie wir es in den letzten sieben Jahren entwickelt haben, findet gerade bei jungen Frauen viel Rückhalt.
Dies ist auf der einen Seite sehr erfreulich, auf der anderen Seite bedeutet es eine erhebliche Herausforderung: Die Erwartungen sind groß, dass die SPD einen spürbaren Beitrag zu tatsächlicher Gleichstellung und zu einer kinderfreundlichen Gesellschaft leistet. Kinderfreundlichkeit bedeutet dabei, dass junge Frauen – und auch junge Männer – das Gefühl haben, ihr Kinderwunsch werde von der Gesellschaft unterstützt. Eine moderne Frauenpolitik bedeutet, dass beide Geschlechter gleiche Chancen haben, Beruf, Karriere und Familie zu vereinbaren. Was in der Wissenschaft so schön „work-life-balance“ heißt, braucht in Deutschland noch strukturelle politische Maßnahmen, um Realität zu werden.
Die SPD hat im Bundestagswahlkampf versprochen, die Politik des Ausbaus einer leistungsfähigen und qualitativ hochwertigen Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur fortzusetzen. Zudem ist sie mit dem Konzept eines „Elterngeldes“ an die Öffentlichkeit getreten. Das war neu. Denn noch im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes 2002 standen nur die Alternativen Geld oder Infrastruktur zur Debatte. Es ging darum, entweder das Kindergeld noch weiter zu erhöhen oder in Ganztagsbetreuung zu investieren. Die traditionellen Sozialpolitiker verlangten mehr Geld. Dagegen wandten progressivere Familienpolitiker ein, Deutschland zahle bereits europaweite Rekordsummen an die Familien, die Geburtenrate sei aber trotzdem eine der niedrigsten. Und die Mentschen waren unzufrieden über die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten, besonders für Kinder unter drei Jahren und für Schüler. Anstatt das Kindergeld weiter zu erhöhen, müsse die Betreuungsinfrastruktur erheblich ausgebaut werden. Dieser Paradigmenwechsel in der Familienpolitik setzte sich durch. Vier Milliarden Euro für Ganztagsschulen versprach das damalige Wahlprogramm, und vier Milliarden wurden den Ländern auch tatsächlich zur Verfügung gestellt. Hinzu kam der Ausbau der Betreuung für Unter-Dreijährige, der Anfang dieses Jahres von Rot-Grün gesetzlich verankert wurde.
Wenn Frauen keine Familien mehr gründen
Vor diesem Hintergrund ist das Konzept des Elterngeldes kein Zurück zu der Sozialpolitik der Vergangenheit mit ihren monetären Leistungen nach dem Gießkannenprinzip. Vielmehr ist das Elterngeld eine Art Lohnersatzleistung, die überhaupt nur als Ergänzung einer verlässlichen Betreuungsinfrastruktur wirksam sein kann, deren vorheriger Ausbau daher die unbedingte Voraussetzung ist.
Warum gründet die heutige Generation junger Frauen – immerhin die am besten ausgebildete aller bisherigen Generationen – immer seltener eine Familie? Und warum scheuen noch mehr junge Männer die Familiengründung? Vier Punkte gehören zu den wichtigsten Ursachen: Erstens der späte Berufseintritt und die sehr späte berufliche Absicherung junger Frauen und Männer („Generation Praktikum“), besonders im Vergleich zu anderen europäischen Ländern; zweitens mangelnde Kinderbetreuung, besonders in Westdeutschland; drittens fehlende Partner und mangelnde Initiative der Männer zur gleichberechtigten Teilhabe an der Erziehung; viertens der Wegfall eines (Akademiker-)Gehalts nach der Geburt eines Kindes.
Ein „Papamonat“ wie in Schweden
Die Einführung eines lohnabhängigen Elterngeldes setzt zunächst nur an der vierten dieser Ursachen an. Trotzdem kann sie ein entscheidender Baustein sein. Realistisch finanzierbar ist die einjährige Zahlung eines Elterngeldes in Höhe von zwei Dritteln des vorherigen Nettoeinkommens für den Elternteil, der zu Hause bleibt. Das hätte dann positive Effekte, wenn sich eine zeitlich flexible Kinderbetreuung anschließt, die Berufstätigkeit ermöglicht.
Drei Dinge sind allerdings unbedingte Voraussetzungen dafür, dass das Elterngeld tatsächlich eine gesellschaftliche Veränderung bewirken kann: Erstens, es muss hoch genug sein; zwei Drittel des vorangegangen Erwerbseinkommens sind die Mindesthöhe, um mitsamt Kindergeld und Steuerprogression das Einkommensniveau der Familie in etwa halten zu können. Zweitens, nach einem Jahr Elterngeld muss die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit erfolgen; dazu sind von den Eltern akzeptierte, qualitativ hochwertige Betreuungsangebote und familienfreundliche Arbeitsplätze die Voraussetzung. Drittens, junge Frauen wollen mit der Erziehung nicht allein gelassen werden; deshalb muss eine bestimmte Zeit des durch das Elterngeld finanzierten Jahres exklusiv für den Vater reserviert werden – in Schweden ist das der „Papamonat“.
Es muss das sozialdemokratische Zukunftsprojekt sein, Kinder wieder ins Zentrum der Gesellschaft zu rücken und nicht hinzunehmen, dass sie zunehmend vor allem zu „Phänomenen“ sozial benachteiligter Schichten und Stadtteile werden. Deswegen greift die Kritik zu kurz, ein lohnabhängiges Elterngeld sei gegenüber der Pauschalzahlung des bisherigen Erziehungsgeldes ungerecht. Das Elterngeld, das auf einem durch die schwedische Sozialdemokratie erfolgreich umgesetzten Konzept beruht, ist ein soziales Projekt, das finanzielle Leistungen sehr zielgenau einsetzt. Sicherlich wäre es leichter zu vermitteln, wenn es wie in Schweden als eine Versicherungsleistung gezahlt würde. Doch wäre die Gefahr eines Anstiegs der Lohnnebenkosten zu hoch, würde man das Elterngeld in den Leistungsbereich der Bundesagentur für Arbeit integrieren. Sozial gerecht ist das Elterngeld besonders dadurch, dass es zwingend mit einer besseren Betreuungsinfrastruktur einhergeht. Von diesen neuen Förder- und Bildungsangeboten profitierten Kinder aus bildungsfernen Familien besonders. Diese Seite der Medaille müssen Sozialdemokraten gleichermaßen im Auge behalten.
In Deutschland steht die Familiengründung häufig erst nach der Ausbildung und einem gelungenen Karriereeinstieg an – oder sie fällt eben aus den verschiedensten Gründen ganz aus. Das Elterngeld ist eine Reaktion darauf. Dennoch muss auch die Familiengründung vor und während der Ausbildung Unterstützung erfahren, indem das Elterngeld als ein Sockelbetrag gezahlt wird. Gleichzeitig ist aber eine infrastrukturelle Hilfe bei der Vereinbarkeit von Studium oder Ausbildung und Kind mindestens genauso wichtig. Dabei sind besonders die Hochschulen gefordert.
Ausbruch aus der Abwärtsspirale
Armut von Kindern und ihren Familien findet sich vor allem dort, wo den Eltern der Zugang zu einem ausreichenden eigenen Erwerbseinkommen fehlt – das belegen alle Statistiken. Wirtschaftlich nachhaltig und sozial gerecht ist daher nur eine Familienpolitik, die Möglichkeiten schafft und Anreize setzt, Familie und Erwerbstätigkeit miteinander zu vereinbaren. Das einjährige Elterngeld, verknüpft mit verbesserter Kinderbetreuung, ist hierfür ein wichtiger Baustein. Besonders bei Alleinerziehenden kann es die verbreitete ökonomische Abwärtsspirale durchbrechen.
Darüber hinaus wirkt das Elterngeld nachhaltig. Es kann dazu beitragen, dass Männer, die meist immer noch besser verdienen, ihren Teil zur Kindererziehung beitragen. Das Elterngeld wird außerdem bewirken, dass Frauen schneller wieder in ihren Beruf zurückfinden – etwa 80 Prozent wollen nach der Geburt eines Kindes arbeiten oder wieder mehr arbeiten. Künftig kann das Elterngeld zu echter Gleichstellung, zu gleichen Chancen und zu mehr Frauen in Führungspositionen in Deutschland führen. Die sozialdemokratische Idee der kinderfreundlichen Gesellschaft kann also mit dem Instrument Elterngeld realisiert werden.