Europa ist mehr als Euro-Rettung!
Die auf dem EU-Gipfel 2003 in Thessaloniki angekündigte Integration des Westbalkans in die EU schreitet voran: Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien wurden erfolgreich abgeschlossen, Serbien wurde zum offiziellen Beitrittskandidaten erklärt und die Beitrittsverhandlungen mit Montenegro wurden aufgenommen. Doch das Bild trügt. In der Finanzkrise beschäftigt sich die EU vorrangig mit sich selbst. Die Zweifel wachsen, ob die Beitrittsperspektive für den Westbalkan aufrechterhalten wird. Doch ohne eine klare Perspektive stagnieren die Reformbemühungen in vielen Ländern des Westbalkans.
Unsere Aufmerksamkeit erhält der Westbalkan nur, wenn es zu militärischen Auseinandersetzungen kommt. Bald könnte es wieder so weit sein. Angesichts ethnischer Spannungen in Bosnien und Herzegowina, in Mazedonien sowie zwischen Serben und Kosovoalbanern ist ein Aufflammen des Bürgerkriegs denkbar. Noch bedrohlicher sind die sozialen Spannungen. Die nach dem Bürgerkrieg aufgewachsenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrachten sich als „verlorene Generation“. Die Jugend weiß vom Wohlstand in Europa, aber im eigenen Land hat sie keine Perspektive. Die Jugendarbeitslosigkeit auf dem Westbalkan beträgt über 50 Prozent. Viele junge Akademiker können nicht in ihrem Beruf arbeiten, sondern verrichten Hilfstätigkeiten. Die klügsten Köpfe wandern aus, sobald sie die Gelegenheit dazu haben.
Die Krise darf keine Ausrede sein: Die EU muss sich dem Westbalkan wieder stärker zuwenden und zu einer nachhaltigen Befriedung beitragen. Die Integration des Westbalkans in die EU funktioniert nur, wenn sie auf Unterstützung der Bevölkerung trifft – auf beiden Seiten. Aber zu oft wurden die Beitrittsversprechen wieder in Frage gestellt. Das Vertrauen in eine EU-Perspektive ist auf dem Westbalkan in den vergangenen Jahren gesunken. Dieses Vertrauen müssen wir durch faire Verhandlungen und eindeutige Aussagen wieder herstellen!
In ihrem Wahlprogramm für die Europawahl 2009 trat die CDU „für eine Phase der Konsolidierung ein, in der die Festigung der Identität und der Institutionen der Europäischen Union Vorrang vor weiteren EU-Beitritten haben“. Die Christdemokraten machen Wahlkampf auf Kosten der europäischen Solidarität und stellen die Verlässlichkeit der EU infrage: Auch wenn ein Staat die festgelegten Kriterien für den EU-Beitritt erfüllt, kann er nicht sicher sein, tatsächlich beitreten zu dürfen. Zum Glück sieht die Politik der CDU in der Realität anders aus als in ihrem Wahlprogramm. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Dezember 2009 den Verhandlungsbeginn mit Mazedonien befürwortet und der Verleihung des Beitrittskandidatenstatus an Montenegro (2010) und Serbien (2012) zugestimmt. Dennoch fragen sich viele Menschen auf dem Westbalkan: Wie sicher ist unsere europäische Perspektive? Die Verunsicherung hat zur Folge, dass in vielen Staaten Reformen nicht mit der nötigen Entschlossenheit angegangen werden. Damit gefährden wir eine Modernisierung der Staaten auf dem Westbalkan.
So sieht kein verlässlicher Beitrittsprozess aus
Es war eine politische Entscheidung, im Jahr 2004 zunächst zehn Länder gleichzeitig aufzunehmen und gut zwei Jahre später auch Rumänien und Bulgarien, obwohl diese die Beitrittskriterien zu dem Zeitpunkt nicht erfüllten. Dieser Schritt wird heute bereut, weil sich die Nachverhandlungen als schwierig erwiesen. Künftig werden nur noch beitrittsreife Staaten aufgenommen, was im Fall Kroatiens zu einer langen Verhandlungszeit führte. Die einst praktizierte politisch motivierte Bevorteilung ist in politisch motivierte Benachteiligung umgeschlagen: Einzelne Mitgliedsstaaten nehmen sich das Recht heraus, Sonderbedingungen zu stellen. Zunächst legte Griechenland aufgrund der Namensstreitigkeiten 2009 sein Veto gegen Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien ein. Im Dezember 2011 zögerte Angela Merkel den Beitrittsstatus für Serbien hinaus. Anschließend erklärten Rumänien und Bulgarien den Rechtsstatus ihrer Minderheiten in Serbien zum Zustimmungskriterium. So sieht kein verlässlicher Beitrittsprozess aus.
Für Irritationen sorgt zudem, dass an die Beitrittsstaaten Maßstäbe angelegt werden, die die Mitgliedsstaaten selbst nicht befolgen, etwa als Präsident Nicolas Sarkozy in Frankreich mit Gruppenabschiebungen von Roma gegen geltendes EU-Recht verstieß. Die EU propagiert Good Governance, während Silvio Berlusconi in Italien nahezu kritiklos regieren konnte. Weitere Beispiele sind die Haushaltspolitik in Griechenland, die Medienzensur in Ungarn und die Regierungsbeteiligung von Rechtspopulisten in Dänemark, den Niederlanden oder Italien. Auch deshalb hat die Glaubwürdigkeit der EU in den vergangenen Jahren gelitten. Die demokratisierende und stabilisierende Wirkung der Annäherung, eine ehemals sehr wirkungsvolle soft power, hat erheblich nachgelassen. Die Zustimmungswerte zur EU-Integration sind auf dem Westbalkan gesunken.
Aus diesen Gründen muss der Europäische Rat seinen Aufnahmewillen unter Beweis stellen und ein klares Bekenntnis zur Beitrittsperspektive für den Westbalkan aussprechen. Deutschland würde es gut zu Gesicht stehen, die Initiative dafür zu ergreifen, da unsere Regierung Auslöser vieler Irritationen war.
Darüber hinaus muss der Beitrittsprozess transparenter strukturiert werden. Erweiterungskommissar Stefan Füle versucht dies bereits, doch der Europäische Rat müsste eine klare Vorgabe machen, um den Zusatzbedingungen für einzelne Staaten einen Riegel vorzuschieben. Objektiv messbare Kriterien könnten dafür eine Lösung sein. Dem Eindruck, es werde mit zweierlei Maß gemessen, kann entschieden entgegengetreten werden, wenn schlechte Regierungsführung, Korruption, Rechtspopulismus und Nationalismus nicht als spezifische Probleme der Region Westbalkan identifiziert, sondern als gesamteuropäische Herausforderung aufgefasst werden.
Für die Zustimmung der europäischen Bevölkerung zur Integration des Westbalkans ist unter anderem die Verwendung der EU-Mittel relevant, die in die Region fließen. Doch trotz jährlicher Unterstützung in Milliardenhöhe stagniert die Entwicklung auf dem Westbalkan. Der Europäische Rechnungshof hat 2009 einige EU-finanzierte Projekte untersucht und festgestellt, dass sie mehrheitlich nicht nachhaltig angelegt sind. So fehlt bei der Projektplanung häufig ein Instandhaltungsplan, die Begünstigten werden in die Planung zu wenig einbezogen oder die Projekte tragen nicht zu institutionellen Veränderungen im Zielland bei. Offensichtlich geht die EU mit dem Geld der europäischen Steuerzahler nicht professionell genug um. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. So berichtete der Rechnungshof, dass sich Zielländer bei gemeinsam durchgeführten Projekten nicht an Verpflichtungen halten.
Ethnische Gewalt ist noch immer möglich
Schwieriger zu kontrollieren als die Umsetzung von Projekten sind direkte Budgethilfen von der EU an die Haushalte der beitrittswilligen Staaten. Beispielsweise konnten in Kroatien erst durch die Implementierung des EU-Rechts die Korruptionsverflechtungen der Regierung Sanader aufgedeckt werden. Ich hoffe natürlich, dass das Korruptionssystem Sanader auf dem Westbalkan ein Einzelfall ist. Dennoch sollten wir überdenken, ob Budgethilfen grundsätzlich ein sinnvolles Instrument sind, ob man ihre Gewährung mit umfassenden Befugnissen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) verknüpft oder ob man den Aufbau von fähigen nationalen Antikorruptionsbehörden an den Beginn des Beitrittsprozesses stellt.
Ein nicht unerheblicher Kostenfaktor sind die militärischen und rechtsstaatlichen Missionen auf dem Westbalkan, im Kosovo die unter Leitung der Nato stehende Militärmission KFOR und die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX, in Bosnien und Herzegowina die unter EU-Verantwortung stehenden Operationen Althea (Militär) und EUPM (Polizei). Hinzu kommen die Interimsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) und der Hohe Repräsentant der Vereinten Nationen in Bosnien und Herzegowina (OHR). Allein der KFOR-Einsatz der Bundeswehr schlägt im deutschen Haushalt jährlich mit einem dreistelligen Millionenbetrag zu Buche. Der Bundestag beschloss regelmäßig mit großer Mehrheit die Verlängerung der Missionen, weil trotz jahrelangen Engagements die Situation in beiden Ländern noch keinen Abzug zulässt. Auch das UN-Engagement ist in beiden Fällen unerlässlich. Die Diskussion über die Abschaffung des Hohen Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina ist unverantwortlich und schwächt dessen Position. Nach wie vor können die dortigen ethnischen Spannungen in Gewalt umschlagen. Es ist offensichtlich, dass die Missionen erst dann beendet werden können, wenn die europäische Integration so weit vorangeschritten ist, dass durch die Beitrittsverhandlungen stabile Rechtsstaaten geformt wurden. Deswegen liegt eine schnelle europäische Integration des Westbalkans auch im Interesse des europäischen Steuerzahlers.
Die EU tut gut daran, sowohl innerhalb der EU-Staaten als auch in den Staaten des Westbalkans für Vertrauen in das Beitrittsverfahren zu werben. Die Vorschläge zur besseren Korruptionsbekämpfung, zum besseren Einsatz von EU-Mitteln sowie für mehr Transparenz im Beitrittsverfahren können dazu beitragen. Wichtig ist aber auch, dass die Beitrittsprozesse nicht auf die lange Bank geschoben werden, sondern zügig ablaufen.
Ein Vorschlag zur Beschleunigung des Beitrittsprozesses ist es, Kapitel 23 „Justiz und Grundrechte“ und 24 „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ an den Beginn der Verhandlungen zu stellen. Kapitel 23 wurde erstmals mit Kroatien verhandelt und umfasst die Forderungen nach einer unabhängigen und effizienten Justiz und der Bekämpfung von Korruption; mit Kapitel 24 soll die organisierte Kriminalität angegangen werden. Damit wird die Grundlage für einen Rechtsstaat und für eine schnelle Behandlung aller weiteren Kapitel geschaffen. Ich bin überzeugt, dass dies für Kroatien die entscheidenden Verhandlungskapitel waren. Sie haben zu einer gesellschaftlichen Erneuerung und einem Mentalitätswechsel beigetragen, so dass die Verurteilung des ehemaligen Premierministers Ivo Sanader sogar die Unterstützung seiner Nachfolgerin und Parteifreundin Jadranka Kosor fand. Kroatien konnte seinen Rechtsstaat vollenden und den ethnisch-religiösen Nationalismus überwinden. Folgerichtig hat die EU-Kommission beschlossen, bei den Verhandlungen mit Montenegro und Mazedonien Kapitel 23 und 24 nicht – wie bei Kroatien – erst am Schluss zu verhandeln, sondern zu Beginn.
Der Westbalkan besteht aus Kleinstaaten
Das kann nur ein Zwischenschritt sein. Da die Notwendigkeit einer möglichst frühen Behandlung beider Kapitel erkannt wurde, wäre es konsequent, wenn diese bereits vor den eigentlichen Beitrittsverhandlungen beginnt. Unmittelbar nach dem Beitrittsgesuch könnten Vorbeitrittsverhandlungen einsetzen, die dazu beitragen, dass der Modernisierungsprozess im Beitrittsland schneller eintritt, wobei die eigentlichen Beitrittsverhandlungen unabhängig von einer Beendigung der Vorbeitrittsverhandlungen möglichst rasch folgen. Dies hätte zur Konsequenz, dass ab sofort mit Albanien, Mazedonien und Serbien über Kapitel 23 und 24 verhandelt werden könnte.
Eine andere Möglichkeit zur Beschleunigung des Beitrittsprozesses liegt in der sektoralen Integration: Ein am Beitritt interessierter Staat übernimmt bereits vor Beginn der Beitrittsverhandlungen die rechtlichen Rahmenbedingungen der EU in einzelnen Themenbereichen und kann damit seine Position bei Handel und Investitionen verbessern. Ein Beispiel hierfür ist die seit 2006 bestehende Europäische Energiegemeinschaft, an der neben der EU auch Staaten aus Südosteuropa beteiligt sind. Durch die Energiegemeinschaft übernehmen die Nicht-EU-Staaten die Regeln des Energiebinnenmarktes und sorgen für transparente Investitionsregeln. Ebenso befinden sich eine Verkehrsgemeinschaft und ein gemeinsamer Luftraum in Entstehung, und eine Weiterverfolgung des von den meisten Ländern angestrebten Nato-Beitritts würde die verteidigungspolitische Integration voranbringen. Weitere denkbare Integrationsbereiche sind das Bildungssystem, die Wissenschaft, die Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung oder die Umweltpolitik. Mit der sektoralen Integration kann ein Land seine Beitrittsfähigkeit beweisen und der eigenen Bevölkerung den Nutzen der europäischen Integration verdeutlichen.
Wenngleich die politische Zukunft des Westbalkans in der EU liegt, befindet sich die wirtschaftliche Zukunft vorrangig im Westbalkanraum. Deshalb sollte die EU stärker als bisher die Zusammenarbeit der Westbalkan-Staaten innerhalb des Mitteleuropäischen Freihandelsabkommens CEFTA und im Kooperationsrat für Südosteuropa einfordern. Dies ist vor allem deswegen wichtig, weil es sich bei den sechs verbleibenden Staaten durchweg um Kleinstaaten handelt. In einem Staat mit wenigen Millionen Einwohnern ist es nicht möglich, alle für eine moderne Gesellschaft notwendigen Industriezweige und Technologien zu etablieren, sondern hier ist eine regionale Koordinierung erforderlich.
Wirtschaftliche Strukturen sind sowohl zwischen den Beitrittsländern als auch mit der Europäischen Union notwendig, besonders im grenznahen Bereich. Wenn Kroatien der EU beitritt, muss sichergestellt sein, dass der Handel mit seinen Nachbarländern an der neuen 1.200 Kilometer langen EU-Außengrenze nicht zum Erliegen kommt. Eine EU-Initiative zur grenznahen Zusammenarbeit im Westbalkan könnte die Entwicklung der Beitrittsländer beschleunigen. Denselben Effekt kann auf der Makroebene die seit 2011 bestehende EU-Donauraumstrategie entfalten, an der acht EU-Mitglieder und sechs weitere Staaten beteiligt sind. Die Strategie sieht eine vertiefte Zusammenarbeit in den Politikfeldern Infrastruktur, Umweltschutz, Aufbau von Wohlstand und guter Regierungsführung vor.
Wie wir die Macht fragwürdiger Eliten zementieren
Aber auch unser Umgang mit der politischen Elite auf dem Westbalkan ist entscheidend für das Vertrauen der Menschen. Es ist kein Geheimnis, dass viele Probleme eng mit den politischen Eliten zusammenhängen, die in erster Linie auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Sie wollen eigentlich keine Reformen, weil sie dadurch ihren Status verlieren würden. Sie wollen keine Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten, weil eine Instrumentalisierung des Nationalismus ihnen über Jahrzehnte Wahlsiege garantierte und somit ihre Machtposition sicherte. Die meisten Parteien auf dem Westbalkan sind fest in der Hand eines Parteiführers, der sein Amt erst mit dem Tod abgibt und keine demokratische Willensbildung von unten nach oben zulässt. Nun kann man natürlich kritisieren, dass eine Zivilgesellschaft in demokratischen Prozessen Alternativen zu diesen politischen Eliten entwickeln müsste. Doch gerade durch unseren Umgang mit den politischen Eliten tragen wir europäischen Politiker zur Zementierung ihrer Macht bei.
Jedes Jahr empfangen wir Abgeordneten im Bundestag zahlreiche Delegationen aus Südosteuropa. Es fällt auf, dass sich die Besuche vor Wahlterminen häufen. Das Interesse an inhaltlichem Austausch ist seitens unserer Gesprächspartner eher sekundär; primär betreiben sie Wahlkampf. Die mitgereisten Journalisten sind loyal und sorgen für gute Fotos und Videobilder, die in den südosteuropäischen Medien signalisieren: Seht her, wir haben gute Kontakte in die EU, wir arbeiten eng mit den deutschen Politikern zusammen! In der Berichterstattung gehen kritische Fragen von uns Bundestagsabgeordneten unter. Und ich stelle fest, dass ich Jahr für Jahr denselben Personen dieselben Fragen stellen kann und jedes Jahr dieselben Ausflüchte als Antwort erhalte. Für mich sind solche Gespräche entlarvend. Das eigentliche Problem des Westbalkans sind die politischen Eliten. Sie tragen Verantwortung dafür, dass sich die wirtschaftliche Produktion auf dem Westbalkan seit 1989 halbiert hat und dass der Lebensstandard weit hinter dem in der EU zurückbleibt.
Für uns Bundestagsabgeordnete ist es aufgrund sprachlicher Barrieren schwierig, die Berichterstattung über diese Delegationsbesuche zu verfolgen. Aus diesem Grund sollten wir versuchen, alternative Kommunikationsstrategien zu etablieren, damit das, was besprochen wird, ohne Filter bei der Bevölkerung auf dem Westbalkan ankommt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Auswärtige Amt und die deutschen Botschaften eine Infrastruktur errichten, damit die Abgeordneten der einzelnen Fraktionen im Anschluss an Delegationsbesuche schriftliche Statements einreichen können, die in die jeweilige Landessprache übersetzt und über den Presseverteiler der Botschaft an die Landesmedien verbreitet werden.
Wir Sozialdemokraten und die Christdemokraten haben darüber hinaus eine weitere Möglichkeit, auf die Regierungen der Beitrittsstaaten einzuwirken: Die führenden Regierungsparteien in Mazedonien und Albanien sind auf internationaler Ebene mit der CDU assoziiert, und gleiches gilt auf sozialdemokratischer Seite in Montenegro. Das trifft auch auf Parteien der bosnisch-herzegowinischen Mehrparteienkoalition zu. Natürlich können wir unsere Partner nicht vor den Kopf stoßen, doch bisher machen wir von der Möglichkeit (fast) keinen Gebrauch, über diese Schiene Einfluss auf ihre Entwicklung zu nehmen.
Das europäische Projekt kann nur gelingen, wenn die Menschen es emotional unterstützen. Das muss für die Menschen in den Beitrittsstaaten gelten, aber auch für die Menschen in den EU-Staaten, denen ein finanzieller Beitrag für die erweiterte Union abverlangt wird. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs existierte in den alten Mitgliedsstaaten sowohl bei Politikern als auch bei der Bevölkerung eine Aufbruchstimmung. Heute ist die Zustimmung zur EU und zur Erweiterung dagegen eher rationaler Natur, wenn sie nicht schon in Ablehnung umgeschlagen ist. Gewichtige Stimmen in der Politik betrachten die EU-Erweiterung als etwas Notgedrungenes und beinahe Lästiges. Der Rest der politischen Landschaft setzt dem wenig entgegen – und das muss sich ändern! Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft müssen wir eine emotionale Zustimmung für den EU-Beitritt schaffen – in den Beitrittsländern und in den heutigen EU-Staaten.
Deshalb darf die deutsche Sozialdemokratie nicht warten, bis sie im kommenden Jahr an der Regierung ist, sondern muss sich bereits jetzt für eine Wiederbelebung des Erweiterungsprozesses einsetzen. Wir brauchen eine sozialdemokratische deutsch-französische Initiative für die Integration des Westbalkans. Nicht nur der Euro muss gerettet werden, sondern auch das Friedensprojekt Europa.