Wirtschaft der Zukunft



"Es gibt keine linke oder rechte, sondern nur gute oder schlechte Wirtschaftspolitik“, sagte Gerhard Schröder Ende der neunziger Jahre. In den Leitsätzen zum neuen Grundsatzprogramm heißt es dagegen: „Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die an ... Werten und Zielen ausgerichtet ist.“ Kann sich Wirtschaftspolitik an Werten orientieren? Wir meinen: durchaus.

Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik kann niemals Selbstzweck sein, genauso wenig wie Wirtschaftswachstum Selbstzweck ist. Wirtschaftspolitik muss immer den Menschen dienen und ihnen die Teilhabe am Wohlstand ermöglichen. Dabei ist und bleibt der Markt das mit Abstand beste Ordnungsprinzip der wirtschaftlichen Tätigkeit. Aber der Markt kann nicht alles allein regeln. Er braucht einen starken Staat, der auch steuernde Funktionen übernimmt.

Konservative Industriepolitik ist passé

Unser Grundsatzprogramm sollte deshalb nicht nur auf Werte verweisen, sondern die Felder konkret benennen, auf denen der Staat seine exekutive Ordnungskraft zukünftig deutlich stärker wahrnehmen muss. In den Leitsätzen sagen die Passagen zur Wirtschaftspolitik hierzu noch zu wenig aus. Dort heißt es, unsere Wirtschaft sei erfreulicherweise auf vielen Gebieten „stark und wettbewerbsfähig“– wie beispielsweise der Automobilindustrie und der Maschinenbaubranche. Um die notwendigen Akzente einer zukünftigen Wirtschaftspolitik aufzuzeigen, sollten wir aber auch die Bereiche benennen, in denen wir teilweise erheblichen Nachholbedarf haben.

Dies sind Zukunftsbranchen wie beispielsweise die Bio- und Gentechnologie, die Pharmazie oder die Nanotechnologie. Sie alle benötigen dringend mehr finanzielle Mittel, um im internationalen Wettbewerb Schritt zu halten. Der Staat allein kann diese Branchen nicht nach vorne bringen. Um in innovativen Wirtschaftszweigen wieder Spitzenleistungen zu erzielen, müssen wir vor allem forschungs- und entwicklungsintensive Unternehmen nach Deutschland holen.

Wir sollten deshalb im neuen Grundsatzprogramm stärker als bislang deutlich machen, dass die Zeiten konservativer Industriepolitik endgültig vorbei sind. Unser Augenmerk liegt nicht mehr auf der Förderung einzelner Unternehmen, sondern auf der Analyse und gezielten Unterstützung von Zukunftsstrukturen. Nur so kann ein Klima geschaffen werden, in dem sich Investoren auf der Suche nach einem geeigneten Standort für unser Land entscheiden.

Der internationale Wettbewerb um Investitionen wird sich fortsetzen und weiter verstärken. In den vergangenen Jahren sind wir dabei immer wieder mit so genannten Hedge-Fonds konfrontiert worden, die zunehmend auf kurzfristige Profite ausgerichtet agieren. Dieser Entwicklung können und sollten wir uns nicht entziehen. In den Leitsätzen wird aber zu Recht davon gesprochen, dass diese „Orientierung auf den kurzfristigen Profit wirtschaftliche Potenziale zerstören kann“.

Fluchtkapital bringt keine Steuern ein

Damit unsere Wirtschaft die Chance hat, sich nachhaltig zu entwickeln, müssen wir deshalb gezielt auf unsere Stärke setzen: den eigentümergeführten Mittelstand, der für langfristiges Wachstum steht. Instrumente hierfür sind zum Beispiel ein vernünftig ausgestaltetes Erbschaftssteuermodell und der dringend erforderliche Abbau von Bürokratie. Die in den Leitsätzen geforderte stärkere steuerliche Beteiligung von Unternehmen und Privathaushalten an der Finanzierung von Investitionen muss vor diesem Hintergrund deutlich differenzierter erfolgen.

Richtig ist, dass vermögende Privathaushalte sich stärker als bislang an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen können, etwa durch die Vermögens- und Erbschaftssteuer. Jedoch sollten Unternehmen und besonders der Mittelstand keinesfalls pauschal mit höheren Steuern belastet werden. Denn auf Fluchtkapital erhält der Staat keinerlei Steuereinnahmen, und auch von insolventen Mittelständlern lässt sich nur noch wenig holen.

Klare Aussagen zum Mindestlohn

Die Programmdebatte kann nur dann erfolgreich sein, wenn wir sie möglichst weit in die Gesellschaft tragen. Im Bereich der Wirtschaftspolitik haben wir, was unser Profil nach außen angeht, erheblichen Nachholbedarf. Die Gesellschaft wird sich nur dort an der Programmdebatte beteiligen, wo wir die Menschen direkt ansprechen. Deshalb sollte sich die SPD im Grundsatzprogramm deutlicher zum Thema Mindestlohn äußern als die Leitsätze dies tun. Zu anderen Themen treffen die Leitsätze schließlich auch klare Aussagen. Denn das eindeutige Bekenntnis zu Tarifautonomie und Mitbestimmung steht für einen zentralen Wert sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. Diesen Wert teilen nicht nur viele Menschen, er ist zudem ökonomisch sinnvoll, da er letztlich die Produktivität erhöht. Wenn wir solche Werte und Ziele im neuen Grundsatzprogramm betonen, werden wir klar und deutlich die Richtung unserer Politik aufzeigen und mehr Menschen für die Sozialdemokratie gewinnen.

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